Article1. Oktober 2021

Filmtagebuch: Das Grauen der Sklaverei in den Vereinigten Staaten

Filmtagebuch: Das Grauen der Sklaverei in den Vereinigten Staaten

Lange Zeit waren Afroamerikaner Randfiguren. Klischeehaft gezeichnet, traten sie entweder als treu ergebene Diener auf oder aber als wilde Tiere. Erst nach und nach, besonders im Zuge der Dekolonisation, warfen Drehbuchautoren und Regisseure ein kritischeren Blick auf eines der düstersten Kapitel der US-Geschichte. Anlässlich der Ausstrahlung von Quentin Tarantinos Italowestern-Hommage «Django Unchained» möchten wir einige wichtige Filme und Serien zum Thema vorstellen.

Christopher Diekhaus

Die auch heute noch nicht vollends überwundene Ungleichheit zwischen weissen und schwarzen US-Amerikanern hat ihren traurigen Ursprung im transatlantischen Sklavenhandel. Millionenfach wurden seit Anfang des 17. Jahrhunderts Afrikaner eingefangen, unter denkbar unmenschlichen Bedingungen über den Ozean verfrachtet und fristeten anschliessend, ständigen Demütigungen und Gewaltausbrüchen ausgesetzt, ein tristes Dasein auf den Plantagen im Süden der Vereinigten Staaten. Ihren Geschichten widmeten sich Film und Fernsehen nur zögerlich.

1. «Amistad» (1997)

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Darum geht’s: Während einer Reise kommt es im Jahr 1839 an Bord eines Sklavenschiffes unter der Führung des Afrikaners Sengbe Pieh alias Cinque (Djimon Hounsou) zu einem Aufstand, der mit dem Sieg der Gefangenen und der Ermordung fast der gesamten Crew endet. Einige Monate später wird der Frachter vor der Küste Connecticuts aufgebracht, und die Meuterer finden sich plötzlich vor einem Gericht wieder, da verschiedene Parteien Besitzansprüche geltend machen. Die Verteidigung der Sklaven übernimmt der Anwalt Roger Baldwin (Matthew McConaughey), der durch die Gespräche mit Cinque mehr über die Hintergründe erfährt.

Sehenswert, weil… Steven Spielberg den wahren Fall mit grossem Aufwand, dramatischer Kraft und so authentisch wie möglich rekonstruiert. Die afrikanischen Figuren dürfen ihre Sprache behalten. Am Beispiel des Prozesses wird die erbitterte Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern der Sklaverei illustriert.

Zudem zeigt das Historiendrama eine Wahrheit, die ähnliche Werke häufig ausblenden: Cinque wird von den Mitgliedern eines anderen afrikanischen Stammes gefangen genommen und danach an weisse Sklavenhändler verkauft. Eine damals weitverbreitete Praxis. Problematisch ist zweifelsohne, dass «Amistad» den schwarzen Figuren unter dem Strich zu wenig Entfaltungsraum gewährt. Vor allem gegen Ende scheint es Spielberg wichtiger zu sein, ein Loblied auf die US-amerikanische Demokratie zu singen.

Cineman-User-Bewertung: 3.8 von 5 ★

2. «Lincoln» (2012)

Darum geht’s: Kurz vor dem Ende des Bürgerkriegs zwischen den amerikanischen Nord- und Südstaaten will der republikanische Präsident Abraham Lincoln (Daniel Day-Lewis) die Sklaverei per Verfassungszusatz abschaffen. Für die im Senat bereits beschlossene Verabschiedung benötigt er allerdings noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Repräsentantenhaus. Der Beginn eines zähen politischen Ringens, bei dem nicht nur die Demokraten Lincoln Steine in den Weg zu legen versuchen, sondern auch Vorbehalte in den eigenen Reihen für Komplikationen sorgen.

Sehenswert, weil… sich der von Steven Spielberg (schon wieder!) inszenierte und in vielen Rollen prominent besetzte Film über einen wegweisenden Beschluss die Zeit nimmt, die Streit- und Redekultur genauestens zu beschreiben. Mit seiner zweieinhalbstündigen Laufzeit und seiner Wortlastigkeit verlangt «Lincoln» dem Zuschauer zwar einiges an Geduld ab, liefert aber einen aufschlussreichen Einblick in das Taktieren auf dem politischen Parkett. Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis erhielt für seine Performance als früherer US-Präsident nicht unverdient seinen dritten Oscar.

4 von 5 ★

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3. «Django Unchained» (2012)

Darum geht’s: Als der deutsche Zahnarzt Dr. King Schultz (Christoph Waltz), der in Amerika sein Geld als Kopfgeldjäger verdient, auf eine Gruppe von Sklaven trifft, befreit er Django (Jamie Foxx) aus seiner Gefangenschaft und will ihn endgültig ziehen lassen, sobald dieser ihm bei einer beruflichen Angelegenheit geholfen hat. Im Laufe ihrer Zusammenarbeit entsteht jedoch eine freundschaftliche Beziehung. Und so beschliessen sie, gemeinsam nach Djangos Frau Broomhilda (Kerry Washington) zu suchen.

Sehenswert, weil… Quentin Tarantino in seiner anspielungsreichen Hommage an den Italowestern, speziell an Sergio Corbuccis Kultstreifen «Django», eine Geschichte mit lässigen Dialogen und blutigen Eskalationen erzählt, die stets unterhaltsam ist, in manchen Momenten handfesten Nervenkitzel produziert, zugleich aber – auf verquere Weise, versteht sich – etwas über die grausamen Auswüchse der Sklaverei zu sagen hat.

Ins Bild passt auch, dass eine der schillerndsten Figuren der von Samuel L. Jackson gespielte, seinem Besitzer treu ergebene Vorsteher Stephen ist. Dass Rache hier, wie so oft bei Tarantino, ausgiebig zelebriert wird, darf man kritisch hinterfragen. Andererseits lässt sich eine gewisse Genugtuung nicht verleugnen, wenn Django den weissen Sklavenhaltern und ihren Helfern ordentlich einheizt.

5 von 5 ★

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