Interview15. März 2024 Lysann Leyh
Martina Gedeck und Alexander Fehling über «Helgoland 513»: «Ein ganz schlimmes, furchtbares System»
In der Serie «Helgoland 513» verschanzen sich 513 Menschen auf einer Insel um einer tödlichen Pandemie zu entkommen. Martina Gedeck und Alexander Fehling verraten im Interview, wie sie zum Wertesystem der Inselgemeinde stehen, ob sie sich selbst auch auf einer Insel verbarrikadieren würden und ob ihnen die Erfahrungen mit der Covid-Pandemie bei der Vorbereitung geholfen haben.
Unter der Regie von Robert Schwentke erzählt «Helgoland 513» von einer tödlichen Pandemie, die vor allem das Festland beherrscht. In der realitätsnahen Distopie verbarrikadieren sich 513 Menschen auf der Insel Helgoland. Da die Ressourcen knapp sind, herrschen auf der Insel strenge Regeln. Für jedes Neugeborene muss ein anderer Inselbewohner sterben, damit die Bewohneranzahl gleich bleibt. Falls sich keine Person freiwillig meldet, entscheidet eine soziale Rangliste, wer sein Leben geben muss. Inselchefin Beatrice (Martina Gedeck) führt die Gemeinde an und setzt diese strengen Regeln durch. Marek (Alexander Fehling) ist der einzige Arzt, der sich auf der Insel befindet. Gemeinsam mit seinem Sohn Hendrik (László Branko Breiding) forscht Marek nach einem Impfstoff.
Cineman: Wenn ab morgen Apokalypse wäre, wo würden Sie sich verbarrikadieren? Würden Sie wie in der Serie eine Insel wählen?
Martina Gedeck: Nein. Ich glaube, ich hätte zu grosse Angst, dass dort alle hinwollen und es dann bald zu Ressourcen-Problemen kommt. Ich würde mich wahrscheinlich aufs Land begeben – entweder in meine Heimat Bayern oder in die Schweiz.
Alexander Fehling: Es kommt darauf an, was für eine Apokalypse es wäre. Würde eine Sturmflut kommen, würde ich keine Insel wählen. Ich glaube aber, ich würde mich nicht so verbarrikadieren. Auch die Figur, die ich in der Serie spiele, hat sich gar nicht verbarrikadiert, sondern war zufällig zu dieser Zeit auf der Insel. Aber vielleicht würde ich mich jetzt nach dieser Arbeit auch dorthin begeben.
Frau Gedeck, Sie spielen in der Serie die Inselchefin. Haben Sie etwas mit Ihrer Rolle gemeinsam?
Martina Gedeck: Vielleicht eine gewisse Entschlossenheit. Sie geht relativ gut die Probleme an, aber sie ist schon eine ganz andere Person als ich. Sie baut ein System auf, das ich überhaupt nicht unterstützen würde. Dieses Spitzelsystem, diese Optimierungspunkte und Hierarchien sind überhaupt nicht meins. Das würde ich nicht wollen und mich demnach auch nicht unbedingt an der Spitze positionieren. Ich glaube, ich habe mit der Figur nicht viel gemeinsam.
Also könnten Sie sich auch nicht vorstellen, in so einer Apokalypse die Inselchefin zu sein und über die 513 Menschen zu regieren?
Martina Gedeck: Doch, aber ich würde es wahrscheinlich anders machen. Ich könnte mir schon vorstellen, in einer Art Führungsposition zu sein, aber vielleicht nicht alleinherrschend. Ich würde lieber mit anderen zusammenarbeiten wollen. Das, was dort abläuft, ist mir zu autokratisch.
Herr Fehling, Sie spielen in der Serie den einzigen Arzt auf der Insel. Würden Sie persönlich mit dieser Verantwortung umgehen können und wollen? Wäre der Arztberuf im echten Leben interessant für Sie?
Alexander Fehling: Ich weiss nicht, ob das was für mich wäre. Man muss so viel studieren, so viel lernen und solch eine Disziplin haben über viele Jahre. Ich glaube, da muss man schon verrückt danach sein und es echt lieben. Das ist bei meinem Beruf ähnlich, denn es gibt viele Sachen, die nicht so einfach und toll sind, wie man glaubt. Ich würde den Arztberuf nicht genug lieben, um dies zu schaffen – obwohl ich das natürlich faszinierend und beeindruckend finde, was Ärzte und Ärztinnen leisten.
Fänden Sie es denn moralisch vertretbar, auf einer Insel mit diesen Regeln und diesem sozialen Ranking zu leben?
Martina Gedeck: Ich finde das ganz furchtbar. Ich finde es krank, dass man ein Punktesystem hat, dass Leute so klassifiziert werden und dass man auf Platz 500 landet, weil man zum Beispiel einem Kind nicht geholfen hat. Ein ganz schlimmes, furchtbares System und ich bin froh, dass wir hier sowas nicht haben und hoffe, dass wir sowas nie kriegen. Ich finde es gut, wenn Menschen aufeinander achten und hilfsbereit sind. Dafür allerdings Punkte zu bekommen und öffentlich bewertet zu werden – grauenvoll.
Alexander Fehling: Ich finde es überhaupt nicht moralisch vertretbar. Nur die Frage ist ja, was passiert, wenn sich die Situation vollkommen verändern würde. Die Serie handelt davon, wozu wir eigentlich fähig sind und wie schnell sich subtile Gefahren innerhalb einer Gesellschaft entwickeln können. Insofern wäre ich vorsichtig, das von mir aus einzuschätzen. Ich fühle mich jetzt natürlich sicher in meinem Wertesystem, aber ich bin schon der Meinung, dass wir alle zu den furchtbarsten Dingen fähig sind.
Mit Covid haben wir als Gesellschaft erfahren, wie sich eine Pandemie anfühlt. Empfanden Sie diese Erfahrung relevant für Ihre Darstellung?
Martina Gedeck: Ja, ich finde schon. Vor allem dieses Gefühl von Ohnmacht und Isolation. Ich musste als Schauspielerin so etwas wie Zuversicht in diese Figur bringen. Als absolute Regentin heisst das nicht nur, dass man die Macht hat, es heisst auch, dass man die Verantwortung hat. In der Serie gibt es viele Menschen, für die ich diese Zuversicht, Hoffnung und Stärke verkörpere. Das alles musste ich als Schauspielerin bringen.
Ich muss also immer gut gelaunt und fröhlich sein, wenn ich in die Videokameras spreche, die das Fernsehen der Insel darstellen. Ich muss Zuversicht verströmen, auch wenn Dinge schief laufen, damit keine Panik ausbricht. Solche Verhaltensweisen kenne ich zum Beispiel auch aus dieser Zeit. Wie die Mächtigen gesprochen und versucht haben, die Leute zu beruhigen. Wie versucht wurde, sachlich zu sprechen oder Nachrichten vorerst zurückgehalten wurden. Diese Dinge waren mir ebenso vertraut. Eine Gegenposition aufzubauen – nicht zusammenzubrechen, nicht mehr zu können, nicht mehr zu wollen und schwach zu werden – diese Gefühle kennen wir alle.
Alexander Fehling: Nein, gar nicht. Interessanterweise gab es die Idee zur Serie schon vor Corona und sie ist überhaupt keine Reaktion auf die Pandemie, sondern war schon vorher in Entwicklung. Wobei man auch sagen muss, dass es solche Zustände bzw. Viren schon vorher gab, nur nicht in der Dimension, wie wir es jetzt erlebt haben. Nun wirkt die Serie wie eine sehr naheliegende Idee, aber eigentlich hat die Realität die Fiktion wieder mal überholt.
Hatten Sie eine bestimmte Inspiration für Ihre Figur?
Martina Gedeck: Ich habe mir für meine Rolle keine Person in einer Machtposition angeschaut. Meine Inspiration war mein Erleben zur Zeit der Corona-Pandemie. Vor allem das Gefühl von Isolation und Abschottung, was über allem liegt. Das heisst, auch wenn ich in bestimmten Szenen in meiner Figur eine Stärke vermittle, schwingt auch gleichzeitig immer die Bedrohung und das Ausgeliefertsein mit. Für mich war es ganz wichtig, nicht nur eine Figur zu zeigen, die alles im Griff und unter Kontrolle hat, sondern auch eine Figur, die irritiert ist, die zweifelt und auch selbst kämpfen muss.
Alexander Fehling: Man darf sich das nicht so vorstellen, dass es die eine Inspiration gibt. Gerade bei einer Serie ist es eigentlich eine ziemlich lange Strecke. Es sind ungefähr sieben Stunden Film und dadurch schon mehr ein Puzzle. Es gibt viele verschiedene Ebenen und Details in der Figur: Die berufliche Welt, die private Welt, die wissenschaftliche Welt. Natürlich habe ich mich lange mit Biochemikern unterhalten und bin das ganze Drehbuch durchgegangen, um zu verstehen, worum es sich da eigentlich handelt und wie man dies in die Serie übersetzt – vor allem die Sprache und Worte, die auf der wissenschaftlichen Ebene benutzt werden. Inspiration ist bei mir sowieso ein unbewusster Vorgang, aber es war hier doch schon eigentlich alles sehr bewusst und eine Zusammensetzung aus vielen kleinen Teilchen.
Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen und warum haben Sie zugesagt?
Martina Gedeck: Robert Schwentke hat mich direkt angefragt. Ich habe dann länger mit ihm gesprochen und wollte seine Vision kennenlernen. Die Drehbücher haben mir sehr gut gefallen. Ich habe gesehen, dass er ein grosser Filmemacher ist und das interessiert mich dann auch vom künstlerischen Standpunkt her. Es gab ein paar Szenen, über die wir länger gesprochen haben, wo er auch auf Vorschläge eingegangen ist. Er ist auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern. Er selbst sieht das als gemeinsame Arbeit an und hat Spass daran, Dinge auszuprobieren und spielerisch mit den Szenen umzugehen. Das hat für mich den Ausschlag gegeben.
Alexander Fehling: Ich kannte das Projekt schon etwas länger. Ich glaube, da war es gerade in Entwicklung. Ich habe schon zweimal mit Robert Schwentke gearbeitet und zwar bei «Der Hauptmann» und bei «Seneca». Er hat mir dann circa zehn oder elf Monate vorher von dem Projekt erzählt, die ersten Bücher geschickt und dann haben wir angefangen, uns darüber zu unterhalten. Zugesagt habe ich, weil mich das Scheitern der Figur, die ganzen (Fehl-)Entscheidungen, die er trifft und getroffen hat, sowie seine persönliche Katastrophe sehr interessiert. Eigentlich ist er in einer Art Gefängnis – äusserlich und innerlich.
Die schwierigste Frage zum Schluss: Was ist Ihr Lieblingsfilm und wieso?
Martina Gedeck: Es ist nicht mein absoluter Lieblingsfilm, aber ich habe im Moment einen Lieblingsfilm: «The Departed - Unter Feinden» von Martin Scorsese. Den habe ich gerade wieder bei der Berlinale auf der grossen Leinwand gesehen. Ich war so fasziniert und beeindruckt davon. Scorsese sowieso – auch der neue Film von ihm, «Killers of the Flower Moon». Im Moment ist er mein Lieblingsfilmemacher.
Alexander Fehling: Ein Film, den ich immer geliebt habe – schon früher, als ich sehr viel jünger war – ist «Es war einmal in Amerika». Ein Film, den ich später sehr geliebt habe, ist «There Will Be Blood».
«Helgoland 513» ist ab dem 15. März auf Sky Show verfügbar.
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