Article20. Juli 2021
Koreanisches Kinospecial: Fünf Film-Empfehlungen der letzten Jahre
Der verdiente Erfolg von Parasite brachte vielen westlichen Zuschauern das koreanische Kino näher. Und dies war auch lange überfällig – steht es für Kenner doch schon lange für überdurchschnittliche Qualität. Im Zuge dessen stellen wir euch 5 koreanische Filmhighlights der letzten Jahre vor. Wem Parasite gefallen hat und wer sonst bislang weniger Berührungspunkte mit dem koreanischen Kino hatte, der sollte also unbedingt weiterlesen.
1. Burning (2019)
Der junge Lee Jong-su (Yoo Ah-in) trifft während der Arbeit eines Nebenjobs auf seine ehemalige Mitschülerin Shin Hae-mi (Jeon Jong-seo). Die beiden gehen am Abend etwas trinken und Hae-mi bittet ihn, auf ihre Katze aufzupassen, weil sie für ein paar Wochen nach Afrika auf Erlebnisreise geht. Jong-su bekommt die Katze in dem kleinen Zimmer nie zu Gesicht, jedoch ist stets der Futternapf leer und das Katzenklo voll. Hae-mi kehrt zurück, aber in Begleitung des gutaussehenden, wohlhabenden Ben (Steven Yeun). Dieser scheint etwas zu verbergen.
Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Lee Chang-dongs Verfilmung «Burning», basierend auf einer Murakami-Kurzgeschichte, ist nicht weniger als ein modernes Meisterwerk, welches gekonnt Genre Konventionen unterwandert und keine definitiven Antworten zulässt. Ruhig, sperrig und undurchdringlich erzählt, wurde dem Film leider nicht die Aufmerksamkeit zum Teil, die er verdient hätte. Wer sich darauf einlassen kann, wird mit einer unvergleichlichen, spannenden Atmosphäre belohnt, die eine meditative Sogwirkung entfachen kann. Ein unfassbar starker Film, der ähnlich wie «Parasite», den Klassenkonfikt in Südkorea auf subtile Weise aufzeigt.
2. Goksung (2016)
In einem kleinen Dorf kommt es zu einer Serie geheimnisvoller Morde. Der Polizist Jong-goo (Kwak Do-won) geht der Sache auf die Spur, nachdem sich immer mehr Gerüchte unter den Bewohnern verbreiten. Plötzlich taucht ein Fremder auf und eine seltsame Krankheit macht die Runde. Bald ist Jong-goo nicht nur beruflich in den Fall verwickelt, sondern auch privat.
Regisseur Na Hong-Jin («The Chaser») beweist mit diesem Film erneut seine Stilsicherheit. Was als Polizeithriller beginnt, entwickelt sich schnell zu einem vielschichtigen Genre-Mix, bei dem einige Horror Tropes bedient werden, von Dämonen bis hin zum Exorzismus. Im Gegensatz zum vergleichsweise Action-lastigen, aber nicht minder guten koreanischen Zombievertreter «Train to Busan» kommt «Goksung» jedoch deutlich atmosphärischer und düsterer daher. Zugleich unterwandert er vor allem westliche Sehgewohnheiten, wenn trotz der verstörenden Thematik Na Hong-Jin es schafft, mit den trotteligen Polizisten noch eine ordentliche Portion Humor einzubauen, ohne dabei die eigene Ernsthaftigkeit zu untergraben.
3. A Taxi Driver (2017)
Der Regisseur Jang Hoon behandelt in seinem Film die wahren Ereignisse rund um den deutschen Journalisten Jürgen Hinzpeter, der 1980 mithilfe eines südkoreanischen Taxifahrers Licht ins Dunkel um die Gerüchte über einen Aufstand in Gwangju brachte, welcher dann wenige Tage später brutal niedergeschlagen wurde. Bis heute sind die genauen Hintergründe des Massakers von Gwangju umstritten, die damalige Erhebung der Studenten gilt allerdings heute als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Einführung der Demokratie in Südkorea.
Dem namenlosen Taxifahrer wird eine eigene Motivation und emotionale Backstory spendiert und schliesslich von niemand geringerem verkörpert als dem koreanischen Star Song Kang-ho (»Memories of Murder» und ja - »Parasite«), der wie immer eine fantastische Darstellung liefert. Bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte kommt der Film zwar nicht ohne reichlich Pathos und Melodram aus, inklusive ausartender Action-Sequenz am Ende – trotzdem bleibt der Film spannend inszeniert und ist vor allem aufgrund seiner gut geschriebenen und menschlichen Charaktere ergreifend und unterhaltsam.
4. Handmaiden - Die Taschendiebin (2016)
Korea, 1930er Jahre: Die junge Lady Hideko (Kim Min-He) ist eine wohlhabende Erbin und lebt in einem goldenen Käfig weit ab von der Zivilisation. Ihr Onkel Kouzuki (Jo Jin-Woong) verwaltet das Vermögen. Ein Hochstapler (Ha Jung-Woo) tritt als Graf Fujiwara auf und macht Hideko Avancen. Die junge Sook-He (Kim Tae-Ri), eine Taschendiebin, wird vorausgeschickt, um als falsches Hausmädchen dem Grafen den Weg zu bahnen. Doch sie fühlt sich zu ihrer Herrin hingezogen.
Starregisseur Park Chan Wook (hierzulande vor allem bekannt für seinen Klassiker der Vengeance-Trilogie «Oldboy») fand nach seinem deutlich schwächeren US-Beitrag «Stoker» mit «Handmaiden» wieder zu alter Stärke zurück. Vielleicht ist der Film sogar deutlich reifer als sein gefeiertes Frühwerk. Basierend auf dem englischen Roman «Fingersmith» wird das viktorianische Setting hier mit dem von Japan besetzten Korea getauscht. Mit seiner wendungsreichen Erzählweise schafft es Park Chan Wook gleich mehrere Male zu überraschen. Besonders eindringlich sind neben der beeindruckenden Kameraarbeit von Chung Chung und dem wahnsinnigen Produktionsdesign von Ryu Seong-hees der Umgang mit der eigenen Identität während der Kolonialisierung, hier gleich auf mehreren Ebenen präsent mit dem Konflikt zwischen Japan und Korea. Trotzdem noch eine Vorwarnung: Der Film schreckt weder vor ausufernden Erotikpassagen noch von starken Gewaltexzessen zurück.
5. Mother (2009)
Zuletzt kommen wir nicht darum herum, uns nochmal mit der Filmografie von Bong-Joon-Ho zu beschäftigen. Dieser drehte schon Meisterwerke, bevor er mit «Parasite» bei den Oscars Geschichte schrieb. Allen voran sein wahrscheinlich stärkster Film, der fantastische «Memories of Murder» (ebenfalls mal wieder mit Song Kang Ho). Da es hier jedoch um die Filme der letzten Jahre bzw. des letzten Jahrzehnts gehen soll und «Memories of Murder» in der Tat schon etwas älter ist, fällt die Wahl auf den nicht weniger guten, aber deutlich anderen «Mother».
Eine alleinerziehende Mutter (Hye-ja Kim) lebt mit ihrem geistig leicht zurückgebliebenen Sohn Do-joon (Bin Won) in einer Kleinstadt, wo sie sich mit Akupunktur und dem Verkauf von Getreide das nötige Geld zum Leben verdienen. Als Do-joon eines Tages des Mordes an einem Mädchen bezichtigt wird und von der Polizei gedrängt wird, ein Geständnis zu unterschreiben, ruft das seine Mutter auf den Plan. Diese glaubt an die Unschuld ihres Sohnes und macht sich auf eigene Faust auf die Suche nach dem wahren Mörder.
«Mother» ist ein sehr intimes und intensives Werk, welches im Westen weniger Beachtung gefunden hat als andere populäre Filme von Bong-Joon-Ho, während es in Asien extrem erfolgreich war. Das Drehbuch schafft es, wie bei Bong-Joon-Ho üblich, sich auf gekonnte Weise bei einem Genre zu bedienen, es dann zu unterwandern, um schlussendlich den gesellschaftlichen Normen und Strukturen der koreanischen Kultur einen Spiegel vorzuhalten. Verbunden mit der surrealen Erzählweise und der starken Kameraarbeit von Hong Kyung-pyo entsteht eine unvergleichliche Charakterstudie, die mehr Beachtung verdient hätte und nicht übersehen werden sollte.
Was sind eure liebsten koreanischen Filme der letzten Jahre? Schreibt es uns in die Kommentare!
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