Critique16. Mai 2024 Cineman Redaktion
Cannes 2024: «Le deuxième acte»: Quentin Dupieux verwebt Realität und Fiktion
Der 13. Film von Quentin Dupieux, «Le deuxième acte», der am Dienstag, den 14. Mai als Eröffnungsfilm der Filmfestspiele in Cannes gezeigt wurde, kommt gleichzeitig in die Westschweizer Kinos. Auf dem Programm stehen ein satirischer Blick auf die Gesellschaft, absurder Humor und eine hochkarätige Besetzung.
«Le deuxième acte»: Quentin Dupieux verwebt Realität und Fiktion
Quentin Dupieux | Frankreich | 85 Min.
von Marine Guillain; übersetzt aus dem Französischen
Nach «Daaaaaaali!» und «Yannick», die beide im Jahr 2023 erschienen sind, kehrt der überaus produktive Quentin Dupieux bereits zurück, um das Publikum mit «Le deuxième acte», seinem 13. Spielfilm, zum Lachen zu bringen. Der Film, der im Dezember letzten Jahres im Périgord gedreht wurde, ist mit Léa Seydoux, Louis Garrel, Vincent Lindon und Raphaël Quenard hervorragend besetzt. Einige Wochen vor der Vorführung hatte der Filmemacher angekündigt, dass er keine Interviews zur Vermarktung des Films geben würde und dass es für ihn an der Zeit sei, «die Klappe zu halten»: «Ich habe Lust zu schweigen. Nicht aus Lustlosigkeit oder Überheblichkeit, sondern einfach, weil dieser sehr geschwätzige Film mit gut gewählten Worten alles sagt, was ich sagen möchte», erklärte er und wies darauf hin, dass die Zeit, die er in den letzten Jahren mit Interviews verbracht hat, wahrscheinlich länger war als die Dauer seiner 12 Filme zusammengenommen.
Er, der in der elektronischen Musik auch als Mr. Oizo bekannt ist, nahm trotzdem an der Pressekonferenz in Cannes am 15. Mai teil und betonte, dass seine Filme keine starke Botschaft hätten: «Humor ist mein Werkzeug, um die Leute zum Durchatmen zu bringen, in einer Zeit, die jeden verrückt macht», sagte er. «Ich ziehe es vor, mich zu amüsieren, sonst erschiesse ich mich. Dieser Film, den ich Ihnen anbiete, ist ein Entspannungsbad mit ein bisschen Säure darin.»
In «Le deuxième acte» bittet David (Louis Garrel) seinen Freund Willy (Raphaël Quenard), Florence (Léa Seydoux) zu verführen, eine Frau, die ihm nachläuft, zu der er aber keinerlei Anziehung verspürt. Während dieser langen Eröffnungssequenz äussert sich Willy wenig angemessen über Homosexualität, Transidentität, Behinderung... David unterbricht ihn schnell, denn kann sich doch nicht einfach so äussern, vor allen Leuten und vor laufenden Kameras. In diesem Moment begreift das Publikum die Metaebene, mit der Quentin Dupieux während der kommenden eineinhalb Stunden spielen wird.
Das Bedürfnis nach Ruhm und Anerkennung, der Sinn des Lebens, der Zusammenbruch der Welt, die Seltsamkeit des Schauspielerberufs, Egokriege, Neurosen, Heuchelei, sexuelle Übergriffe, die Grenze zwischen Fiktion und Realität, künstliche Intelligenz... Mit (zu) vielen Geschichten und Themen macht sich Quentin Dupieux milde über die Filmindustrie, die in ihrem Elfenbeinturm eingeschlossen ist, und die Gesellschaft im Allgemeinen lustig. Mit einer Portion Selbstironie und seiner üblichen Phantasie spielt er mit Klischees und tritt genüsslich gegen Gutmenschen.
Obwohl das Tempo in der zweiten Hälfte etwas nachlässt, gelingt es dem Regisseur wie gewohnt, zu überraschen, indem er uns nie erahnen lässt, wohin er uns führen wird. Zum Schluss sei noch auf die bemerkenswerte Fähigkeit der Schauspieler:innen hingewiesen, in beeindruckend langen Plansequenzen von einer Rolle in die andere zu wechseln.
3.5 von 5 ★
Eine Zusammenstellung aller Texte vom 77. Festival International du Film de Cannes findest du hier.
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