Critique15. August 2018 Irina Blum
Netflix-Kritik: «Disenchantment» von «Simpsons»-Macher Matt Groening
Mit den Animationsserien «Die Simpsons» und «Futurama» hat er Fernsehgeschichte geschrieben, nun will er auch die Streaming-Welt erobern: Für Netflix entwarf Matt Groening ein neues Cartoon-Format, das auf den Namen «Disenchantment» hört und von den alles andere als unblutigen Abenteuern einer unangepassten Königstochter im mittelalterlichen Fantasy-Reich Dreamland erzählt.
Kritik von Christopher Diekhaus
Prinzessin Bean (Originalstimme: Abbi Jacobson) hat es nicht leicht. Eigentlich möchte die junge Frau mit einem Faible für Hochprozentiges ein unbeschwertes Leben führen und möglichst viele aufregende Eindrücke sammeln. Doch ihr Vater, der oft übellaunige König Zog (John DiMaggio), will sie aus machtpolitischen Gründen verheiraten.
In diesen schweren Stunden bekommt die angehende Braut Gesellschaft vom sympathischen Elfo (Nat Faxon), einem Elfen, der der Glücksdiktatur im Elfenland entflohen ist, und von einem persönlichen Dämon namens Luci (Eric André), den alle anderen für eine Katze halten. Mit ihren beiden neuen Freunden stemmt sich die Prinzessin schliesslich gegen die Fremdbestimmung und stürzt sich schon bald in verrückte Abenteuer.
«Disenchantment» handelt vom Erwachsenwerden, davon, seinen eigenen Weg zu finden und die äusseren Erwartungen zu unterlaufen. Dass sich all dies ausgerechnet in der stark patriarchalisch geprägten, rauen Welt des Mittelalters abspielt, macht Matt Groenings Selbstverwirklichungsgeschichte umso interessanter. Bean will sich nicht in ein Rollenmuster pressen lassen, bricht immer wieder aus den gesteckten Grenzen aus und bringt ihren herrischen Vater mit ihren Eskapaden regelmässig zur Weissglut.
Wie jedes Mädchen in ihrem Alter sehnt sich die Teenager-Prinzessin nach Liebe und sexuellen Erfahrungen. Da in der ersten Folge allerdings der ihr anfangs zugedachte Bräutigam grausam zu Tode kommt, eilt der Königstochter rasch ein zweifelhafter Ruf voraus, der romantische Begegnungen erschwert. Besonders ulkig ist in diesem Zusammenhang die vierte Episode, in der Bean während einer ausufernden Party in Abwesenheit ihres Vaters von einer Enttäuschung in die nächste stolpert.
Wie üblich im Groening-Universum erwartet den Zuschauer eine Fülle an popkulturellen Anspielungen.
Das kunterbunte, in seinem optischen Stil deutlich an «Die Simpsons» und «Futurama» erinnernde Setting bezieht seinen grössten Reiz aus dem gut harmonierenden Protagonisten-Trio, das man schon nach dem Auftaktkapitel liebgewinnen kann. Elfo, der sich unsterblich in Bean verliebt, aber nicht weiss, wie er seine Zuneigung bestmöglich artikulieren soll, und Dämon Luci, der die Prinzessin als kleines Teufelchen auf der Schulter permanent zu verantwortungslosem Handeln animiert, sind lustige, bewusst konträr angelegte Sidekicks.
Wie üblich im Groening-Universum erwartet den Zuschauer eine Fülle an popkulturellen Anspielungen – unter anderem ein Verweis auf William Friedkins Horrorklassiker «The Exorcist» und eine herrlich überdrehte Abwandlung der Hänsel-und-Gretel-Erzählung. Einige gelungene Running Gags und manch treffsichere Pointe können jedoch nicht kaschieren, dass es der Serie ein wenig an satirischer Schärfe und nachhaltig gesellschaftskritischen Einwürfen fehlt. «Disenchantment» ist kurzweilig und sicherlich kein Ärgernis. Ob sich die Netflix-Produktion allerdings zu einem Kultformat entwickeln wird, darf – zumindest nach Ansicht der für Journalisten vorab freigeschalteten Folgen eins bis fünf – durchaus bezweifelt werden.
3 von 5 ★
Die erste Staffel von «Disenchantment» à 10 Folgen ist ab dem 17. August auf Netflix verfügbar.
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