Critique24. Februar 2022

Netflix-Kritik «Texas Chainsaw Massacre»: Die Kettensäge knattert noch

Netflix-Kritik «Texas Chainsaw Massacre»: Die Kettensäge knattert noch
© Netflix

Horrorikone Leatherface ist zurück und kennt kein Pardon: Blutig-rabiat geht es in der Netflix-Veröffentlichung «Texas Chainsaw Massacre» zur Sache, die fast 50 Jahre nach den Ereignissen von Tobe Hoopers gleichnamigem Genreklassiker spielt – und dessen Schockwirkung klar verfehlt.

Filmkritik von Christopher Diekhaus

Mit wenig Geld, aber einem Gespür für den ungemütlich-effektiven Einsatz filmischer Mittel brachte Tobe Hooper Anfang der 1970er-Jahre eine Horrorstreifen in den Kasten, der als eines der einflussreichsten US-Genrewerke in die Kinogeschichte eingehen sollte. «The Texas Chainsaw Massacre», im deutschsprachigen Raum auch bekannt unter dem Titel «Blutgericht in Texas», erzählt die Geschichte einer Clique junger Leute, die in der texanischen Pampa einer Kannibalenfamilie arglos in die zweckentfremdete Kettensäge läuft. Eine Hüne namens Leatherface, der sein Gesicht hinter einer Maske aus Menschenhaut verbirgt, richtet alle Protagonisten bis auf die tapfere Sally Hardesty, für die das dramatische Finale eine erfolgreiche Flucht bereithält.

In manchen Ländern wanderte der finanziell erfolgreiche Film rasch auf den Index, obwohl er dem Zuschauer mithilfe schneller Schnitte und eines hysterischen Sounddesigns viele im Bild gar nicht stattfindende Grausamkeiten bloss vorgaukelt. Das grosse Echo, das «The Texas Chainsaw Massacre» auslöste, mündete in einige Fortsetzungen und Remakes, denen aber allesamt die Qualität des Originals abgeht.

In manchen Momenten blitzt ernstgemeinte Kritik am Verhalten der Protagonisten auf.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Vor diesem Hintergrund schlägt der nunmehr neunte Franchise-Beitrag eine Richtung ein, die man schon in David Gordon Greens «Halloween» von 2018, einer Mischung aus Reboot und Fortsetzung des Klassikers «Halloween – Die Nacht des Grauens», beobachten konnte. Genau wie erstgenannter Schocker lässt «The Texas Chainsaw Massacre» alle anderen Reihentitel ausser Acht und dockt ausschliesslich an das gefeierte Ursprungswerk an.

Beinahe 50 Jahre nach den Geschehnissen aus Hoopers Low-Budget-Hit reisen vier junge Menschen in die texanische Geisterstadt Harlow, um ihr neues Leben einzuhauchen. Vor Ort stellen Melody (Sarah Yarkin), die ihre Schwester Lila (Elsie Fisher) gegen deren Willen mitschleppt, und das Pärchen Dante (Jacob Latimore) und Ruth (Nell Hudson) entgeistert fest, dass nicht alle Einheimischen gegangen sind.

Eine alte Frau (Alice Krige) will ihr Haus, ein altes Waisenheim, nicht verlassen und hat einen Anfall, als die von Dante alarmierte Polizei auf der Matte steht. Im Wagen des Sheriffs (William Hope) verstirbt sie kurz darauf, was den an ihrer Seite sitzenden Hünen (Mark Burnham) – ihren Sohn, wie es heisst – rasend macht. Dummerweise handelt es sich bei ihm um Leatherface, der seit dem Blutbad von einst untergetaucht ist.

Leatherface mit Kettensäge in der Hand © Netflix

«Texas Chainsaw Massacre» hat mit der fast leeren Kleinstadt ein angemessen unheimliches Setting, das die Szenenbildabteilung glaubhaft heruntergekommen aussehen lässt. Und in manchen Momenten blitzt ernstgemeinte Kritik am Verhalten der Protagonisten auf, die Harlow erobern und nach eigenem Gutdünken umgestalten wollen. Befindlichkeiten der alten Bewohner haben da zurückzutreten. Interessante Ansätze sind durchaus vorhanden. Vieles wird dann aber nur angerissen und nie konsequent zu Ende geführt. Halbgar bleibt beispielsweise auch die etwas ausführlichere Zeichnung einer Hauptfigur, der ein krasses Trauma anhaftet. Weil im Vergleich die anderen Protagonisten platter daherkommen, braucht man kein ausgewiesener Horrorexperte sein, um die am Ende überlebende Person richtig vorherzusagen.

Die oft handgemachten Gore-Effekte sind gewiss nicht ohne.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Dürftig eingebunden in den zentralen Plot ist zudem der Strang um die alt gewordene Sally Hardesty (Olwen Fouéré), die schon lange darauf gewartet hat, Leatherface zu finden und zu töten. Ein Element, das übrigens ganz ähnlich im 2018er «Halloween» auftaucht. Fast scheint es so, als hätten sich Fede Álvarez und Rodo Sayagues, als Ideengeber und Produzenten die treibenden Kräfte hinter «Texas Chainsaw Massacre», von David Gordon Greens Horrorfilm inspirieren lassen.

Leatherface Opfer liegt blutverschmiert am Boden © Netflix

Zum Verhängnis wird dem von David Blue Garcia inszenierten Netflix-Streifen vor allem, dass er sich von Tobe Hoopers suggestiver Gestaltung abwendet und stattdessen immer wieder drastische Gewaltakte explizit ins Bild setzt. Die oft handgemachten Gore-Effekte sind gewiss nicht ohne, nutzen sich auf Dauer jedoch ab.

Schlimmer noch: Manchmal mutiert der Film zu einem lächerlichen Funsplatter und schafft es dadurch nicht, eine permanente, markerschütternde Alarmstimmung zu erzeugen, wie sie das nach wie vor unbehagliche Original von 1974 kennzeichnet.

2 von 5 ★

«Texas Chainsaw Massacre» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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