Critique6. Juli 2020

Netflix Serienkritik «Ju-On: Origins»: Japanischer Horror, der lange nachhallt

Netflix Serienkritik «Ju-On: Origins»: Japanischer Horror, der lange nachhallt
© Netflix

«Ju-On» ist nach «Ring» das zweite grosse Horror-Franchise aus Japan, mit mannigfaltigen Ausprägungen: Einem für den Videomarkt produzierten Film im Jahr 2000 folgte 2002 ein grosses Kino-Remake – bis 2015 wurden weitere Filme produziert, schon 2004 gab es ein amerikanisches Remake, das es zu mehreren Sequels gebracht hat. Der neueste Auswuchs ist nun die Serie «Ju-On: Origins», die mit sechs Folgen auf Netflix das Licht der Welt erblickt hat.

Serienkritik von Peter Osteried

Die Serie gibt sich als die wahre Geschichte, auf der der Kinofilm basiert – ein schon etwas ausgelutschter Kunstgriff, der natürlich völlig bedeutungslos für den Verlauf von «Ju-On: Origins» bleibt. Die Geschichte beginnt im Jahr 1988. Wie immer mit dem Haus, in dem der Fluch lebt. Wer es betritt, der zieht ihn auf sich und wird von ihm begleitet. Seien es Schüler, die eine Kameradin ins Haus locken und vergewaltigen, oder jemand, der nach einem Heim für sich und seine Frau sucht.

Ein Journalist, der Bücher über Geistererscheinungen schreibt, hört von dem Haus, kann es aber nicht lokalisieren. Seine Suche zieht sich über mehrere Jahre, während der Fluch sich immer weiter ausbreitet. Wie schon bei den Filmen gibt es auch bei «Ju-On: Origins» keine lineare Erzählweise. Zwar beginnt man im Jahr 1988, springt aber schon mit der dritten Folge ins Jahr 1994 und mit der vierten ins Jahr 1995.

Die vielen Zeitsprünge machen das Anschauen nicht gerade leicht.– Cineman-Kritiker Peter Osteried

Damit nicht genug, gibt es immer wieder Zeitsprünge, die verdeutlichen, wie der Fluch, der in dem Haus wohnt, sich auswirkt. Das macht das Ansehen ein bisschen schwierig, da man manchmal eine zeitliche Einordnung erhält, dann aber wieder nicht. Schon bei den Filmen wählte man diesen narrativen Ansatz, das macht die Geschichte aber verwirrender, als sie sein müsste. Oder anders gesagt: Man muss bei «Ju-On: Origins» schon sehr genau aufpassen, um sich in diesem erzählerischen Konstrukt nicht zu verirren.

Seit der erste grosse Ju-On-Kinofilm kam, hat sich die Horror-Landschaft verändert. Frauen in weissen Kleidern mit langen, schwarzen Haaren vorm Gesicht sind kaum noch gruselig, da sie nicht nur zum Klischee wurden, sondern auch in Filmen wie der «Scary Movie»-Reihe reichlich veralbert wurden. Das war wohl auch den Machern der Serie bewusst, die bei der Darstellung des Fluchs andere Wege beschreiten. Das Geräusch, das die Anwesenheit des Geistes ankündigt, ist anders. Es variiert und stellt sich auf sein jeweils neuestes Opfer ein.

Frauen in weissen Kleidern mit langen, schwarzen Haaren vorm Gesicht sind kaum noch gruselig.– Cineman-Kritiker Peter Osteried

Die Figuren bleiben mehrheitlich unterentwickelt. Da folgt die Serie der Tradition der Filme, in denen die Protagonisten auch immer weniger interessant als der Fluch selbst waren. Bei der Serie sind zumindest einige Figuren interessanter – so zum Beispiel der Journalist. Andere Figuren kommen und gehen jedoch – und das häufig auch sehr abrupt.

© Netflix

Wo «Ju-On: Origins» erzählerische Mängel haben mag, punktet die Serie aber zumindest in Sachen Horror. Denn wie bei den Filmen gelingt es hier auch, durch die nüchterne, fast schon dokumentarische Erzählweise einen interessanten Kontrast zum gruseligen Ambiente der Geschichte zu setzen. Dabei schrecken die Macher auch nicht vor wirklich verstörenden Bildern zurück, die noch lange nachwirken.

Der Horror, in dem sich die Serie ergeht, ist dabei jedoch von zweierlei Art. Es gibt das Übernatürliche mit seinen sich ins Gedächtnis einbrennenden Bildern, aber auch das Natürliche, das weit erschreckender ist: Gewalt unter Teenagern, eine Vergewaltigung, häusliche Gewalt bis hin zum Mord. Die Welt von «Ju-On: Origins» ist eine, in der der Fluch zwar furchteinflössend ist, der wahre Schrecken aber hinter menschlicher Fassade lauert.

3.5 von 5 ★

«Ju-On: Origins» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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