Critique15. November 2019 Irina Blum
Netflix-Tipp «Klaus»: Der etwas andere Familien-Weihnachtsfilm
Mit der englisch vertonten, in Spanien entstandenen Produktion bringt Netflix den ersten hauseigenen Animationsfilm auf den Markt – klassisch animiert, mit einer originellen Story, morbiden Figuren und einem gelungenen Mix aus düsteren und liebevollen Elementen sticht «Klaus» positiv aus der Masse der Familien-Weihnachtsfilme hervor.
Der aus wohlhabender Familie stammende Jesper (im Originalton gesprochen von Jason Schwartzman) wird nach miserablen Leistungen an der Postakademie von seinem Vater nach Zwietrachting versetzt, einer Insel im Norden, wo er als einziger Briefträger die hiesige Poststelle wieder in Schwung bringen soll.
Nach Hause zurückkehren darf er erst, wenn er 6'000 Briefe ausgeliefert hat. Das Problem: Im düsteren, wie ausgestorbenen Dorf herrscht seit jeher Zwiespalt und Streit, der Clan der Grobs bekriegt den Clan der Ellbogners und umgekehrt – die Schule ist seit Ewigkeiten geschlossen, und schon gar niemand schreibt Briefe.
Durch einen Zufall entdeckt der selbstgefällige Jesper, der so schnell als möglich sein Frühstück im Bett, die seidene Bettwäsche und heissen Bäder zurückhaben will, eine Geschäftsidee: Der Schuppen des geheimniskrämerischen, etwas ausserhalb lebenden Klaus (J. K. Simmons) ist bis zum Rand mit Spielsachen gefüllt, die er bereitwillig an diejenigen Kinder verteilt, die sich mit einem Brief an ihn wenden.
Schon bald besuchen die Kinder, um ihre Wünsche auf Papier bringen zu können, wieder die zur Fischschlachterei umfunktionierte Schule der entmutigten Alva (Rashida Jones). Und der eigennützige Jesper kann sich kaum retten vor Briefen, die er so schnell als möglich dem verschwiegenen Klaus überbringen soll – doch nicht alle in Zwietrachting sind so begeistert von der neu entfachten, euphorischen Nächstenliebe...
Der Spanier Sergio Pablos, der als Animator und Autor an Filmen wie «Ich, einfach unverbesserlich» oder «Rio» beteiligt war, hat mit «Klaus» seinen ersten eigenen Animationsfilm verwirklicht, dabei aber nicht wie die grossen Studios auf Computeranimation zurückgegriffen, sondern den Film klassisch gezeichnet animiert. 2015 erschien ein erster Teaser, mit dem man auf die Suche nach einem Financeur ging – Netflix sicherte sich daraufhin weltweit die Rechte.
Dass enorm viel Aufwand und Fleiss in «Klaus» geflossen ist, merkt man dem Film an: Über weite Strecken fühlt sich die Entstehungsgeschichte des Weihnachtsmanns an, als wäre ein schön gemachtes Bilderbuch zum Leben erweckt worden. Nebst einer erfrischenden und kommerziell gesehen mutigen Machart sorgen auch eine überschaubare Anzahl von sympathisch-schrulligen Figuren sowie eine originelle Story dafür, dass «Klaus» nicht in die Kitschfalle tappt, wie es Weihnachtsfilme sonst häufig tun.
Gewiss, auch «Klaus» ist nicht völlig klischeefrei – grundsätzlich hat man es mit der liebevollen Geschichte rund um Fürsorge, Selbstlosigkeit und Konsumwahn aber geschafft, eine gelungene Mischung aus düster, witzig und skurril hinzubringen, die dank dem einen oder anderen herzerwärmenden Moment und einer Prise Magie (die etwas älteren) Kinder und Erwachsene gleichermassen für sich begeistern dürfte. Und eine schöne Botschaft im ursprünglichen Sinne von Weihnachten gibt es obendrauf.
4 von 5 ★
«Klaus» ist ab sofort auf Netflix zu sehen.
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