Article19. Oktober 2023

Scorsese vom Feinsten: 5 Gründe, «Killers Of The Flower Moon» zu schauen

Scorsese vom Feinsten: 5 Gründe, «Killers Of The Flower Moon» zu schauen
© Warner Brothers Switzerland

Eine dunkle Seite amerikanischer Geschichte, die in Schulbüchern gerne verschwiegen wird, wird in Martin Scorseses neuem Film «Killers Of The Flower Moon» beleuchtet. Als auf dem Stammesland der Osage-Ureinwohner in Oklahoma Öl gefunden wird, scheuen die weissen Einwohner vor nichts zurück, um an den kostbaren Rohstoff zu kommen. Hier sind fünf von vielen Gründen, den 3,5 Stunden langen Film «Killers Of The Flower Moon» anzuschauen.

Text von Gabriela Tscharner Patao

1. Meister Scorsese

Martin Scorsese und sein Cast bei den Dreharbeiten zu «Killers of the Flower Moon» © Warner Brothers Switzerland

Martin Scorsese ist ein Ausnahmeregisseur, dessen Können und Werk noch Jahrzehnte lang an Filmschulen studiert werden wird. Mit seinem neuesten Film beweist er, dass die Inszenierung nicht nur ein Job für die jungen Leute seines Fachs ist und liefert einmal mehr ganz grosses Kino. Auf den ersten Blick ist «Killers Of The Flower Moon» ein Western, der mit den vertrauten Motiven aus Scorseses Gangsterfilmen wie Geiz und Machthunger, Konventionen von Familienbanden und Verrat spielt.

Aber «Killers Of The Flower Moon» ist vielschichtiger als Filme wie «Goodfellas» oder «Casino», die im Mafia-Milieu spielen, denn Rassismus und kulturelle Aneignung sind für einen Scorsese-Film eher ungewohnte Themen. Der Regisseur selbst beschrieb «Killers Of The Flower Moon» an einer Pressekonferenz diese Woche, an der Cineman.ch teilnahm, als Liebesgeschichte, deren Kern der Verrat dieser Liebe ist.

2. Aus der Geschichte lernen, um sie nicht zu wiederholen

Lily Gladstone, Robert De Niro und Leonardo DiCaprio in «Killers of the Flower Moon» © Warner Brothers Switzerland

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch des Journalisten David Grann, das Ereignisse beschreibt, die unter den amerikanischen Ureinwohnern des Osage Stammes tatsächlich stattgefunden haben. Die Mitglieder dieses Volks haben auf ihrem Land in den 1920er-Jahren Öl gefunden, was sie reich machte. Da das Land rechtlich in Stammesbesitz bleiben musste, haben weisse Männer eingeborene Osage Frauen geheiratet und daraufhin sie und ihre Familien systematisch ermordet, um an das Öl zu kommen.

«Was ich einfangen wollte, ist der Charakter dieses Krebses, dieses Virus, der einen solchen kalkulierten Genozid erlaubt», erklärte Scorsese an der Pressekonferenz. «Deshalb ist die Geschichte zwischen Mollie und Ernest im Zentrum, denn Liebe ist die Grundlage jeglichen Vertrauens. Als dieses Vertrauen gebrochen wird, beginnt unsere Geschichte.» Scorsese hat «Killers Of The Flower Moon» nicht für amerikanische Ureinwohner, sondern für ein weisses Publikum gemacht. Er will, dass dieses durch Ernests Augen sieht, wie Habgier und Rassismus zur gewaltsamen Übernahme unterdrückter Völker und Kulturen führen.

3. Der lang erwartete Showdown zwischen De Niro und DiCaprio

Robert De Niro und Leonardo DiCaprio treffen aufeinander © Warner Brothers Switzerland

Es ist kaum zu glauben, dass die zwei wichtigsten Musen in Scorseses Schaffen bisher noch nie zusammen vor seiner Kamera standen. Dies ist Scorseses zehnter Film mit Robert De Niro, mit dem ihn eine über 60-jährigen Freundschaft verbindet, die begann, als beide 16 Jahre alt waren. «Er ist der Einzige, der noch weiss, woher ich komme. Er kannte dieselben Leute wie ich und ich kenne seine alten Freunde», schwelgt Scorsese in seinen Erinnerungen. «Wir vertrauen uns, es dreht sich für mich alles um Vertrauen und Liebe.» De Niro war es denn auch, der den Regisseur auf Leonardo DiCaprio aufmerksam machte, als er mit ihm in «This Boy’s Life» zusammenarbeitete.

Nach sechs gemeinsamen Filmen hätten sie ähnliche Interessen entwickelt, meint Scorsese über DiCaprio, sei es in Sachen Musik oder Film und sie spornten sich gegenseitig an, besser zu werden. Das führt in «Killers Of The Flower Moon» zu explosiven Szenen, in denen De Niro furchterregender denn je ist und DiCaprio zum Schwitzen bringt. DiCaprios Rolle als Handlanger seines Onkels, der sich zwingen lässt, seiner Ehefrau und ihrer Familie fürchterliches Unheil zuzufügen, ist eine bemerkenswerte Darstellung, bestehend aus einer Mischung aus Schuldgefühlen, Schwäche und innerem Zwiespalt.

4. Sensibilität für die Kultur des Osage Stammes

Angehörige der Osage in «Killers of the Flower Moon» © Warner Brothers Switzerland

Scorsese konsultierte Geoffrey Standing Bear, den Führer des Osage Volks, um deren Geschichte respektvoll zu behandeln und sie weder als Opfer noch als Klischee darzustellen. «Ich benutze lieber die Worte ‹historisch wahrheitsgetreu› als ‹historisch korrekt›», erklärt der Regisseur. Der Film zeigt Rituale wie Namensgebungen eines Neugeborenen, Hochzeiten oder Beerdigungen, die damals vielleicht leicht unterschiedlich ausgeführt wurden.

Aber Scorsese hatte Unterstützung von Mitgliedern und Experten des Osage Stammes, die halfen, das damalige Leben historisch wahrheitsgetreu darzustellen. «Das Problem ist, dass die letzten zwei Generationen der Osage sich den weissen Bewohnern anpassen und Christen werden mussten, und deshalb ist viel von ihrer Kultur verloren gegangen», erklärt Scorsese. Er habe auch Lily Gladstone häufig konsultiert und mit ihr am Drehbuch gearbeitet. Szenen wurden neu geschrieben, andere hinzugefügt, um die Authentizität des Films zu gewährleisten.

5. Indigene Schauspielerinnen

Leonardo DiCaprio und Lily Gladstone in «Killers of the Flower Moon» © Warner Brothers Switzerland

Herausragend sind die Darstellungen der indigenen Schauspielerinnen dieses Films und allen voran Lily Gladstone, die ihr enormes Talent bisher nur in Indie-Filmen wie «Certain Women» oder TV-Serien wie «Billions» oder Taika Waititis «Reservation Dogs» zeigen konnte. «Ich war von Anfang an, als wir uns in den Zeiten der Pandemie via Zoom kennenlernten, sehr beeindruckt von ihrer Präsenz, ihren Gefühlen und ihrem Aktivismus, der die Kunst aber nicht überwältigt», erinnert sich Scorsese.

Gladstone wird von weiteren indigenen Schauspielerinnen wie Cara Jade Myers, Janae Collins und Jillian Dion als Mollies Schwestern und Tantoo Cardinal als ihre Mutter Lizzie Q unterstützt. Cardinal ist eine Schauspielerin, die während Jahrzehnten, von Filmen wie Kevin Costners «Der Mit Dem Wolf Tanzt» bis zu Jason Momoas TV-Serie «See: Reich der Blinden» als eine der wenigen Menschen indigener Abstammung in Hollywood Arbeit fand. Das wird sich hoffentlich bald ändern, denn Lily Gladstone wird als Kandidatin für einen Oscar in der besten Schauspielerinnen Kategorie gehandelt.

4.5 von 5 ★

«Killers of the Flower Moon» läuft ab dem 19.10.23 im Kino.

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