Critique6. Oktober 2020 Michelle Knoblauch
«The Wall of Shadows» Filmkritik: Im Bann von Göttern und Bergen
In Eliza Kubarskas Dokumentation um eine Besteigung des Kumbhakarna prallen die Träume unerschrockener Gipfelstürmer mit der Gottesehrfurcht und dem Wissen einheimischer Sherpas ungebremst aufeinander.
Filmkritik von Irene Genhart
Imposante 7711 Meter Höhe erreicht der Gipfel des Kumbhakarna in Nepal. Er ist damit zwar einiges niedriger als der Mount Everest, doch er gilt im Aufstieg als anspruchsvoll, und nachgerade seine bisher unbezwungene Ostflanke ist Gipfelstürmern eine Traumdestination. In den Augen der lokalen, der Kirant-Religion angehörenden Bevölkerung aber, repräsentiert der Kumbhakarna eine zu Fels gewordene Gottheit und darf als heiliger Berg nicht bestiegen werden. Nichtsdestotrotz erhalten die Sherpas immer wieder Anfragen von Bergsteigern.
So im Frühjahr 2019 auch Ngada Sherpa, der mit seiner Familie im Zentrum von Eliza Kubarskas «The Wall of Shadows» steht. Die Familie lebt nomadisierend mehr oder weniger von der Hand in den Mund. Doch seit einiger Zeit äussert ihr 16-jähriger Sohn den Wunsch, Medizin zu studieren. Für den Vater eröffnet sich mit der Expedition eine passable Möglichkeit, das für die Ausbildung nötige Geld herbeizuschaffen. Der Mutter, Jomdoe Sherpa aber, eine der Natur und den Geistern innig verbundene Frau, die im Alltag tüchtig mit anpackt, ist die Vorstellung, dass ihr Gatte den Körper Gottes besteigt, zuwider. Sie stellt sich seinem Ansinnen entgegen, willigt nach einigen Diskussionen und Gebets-Ritualen aber ein und begleitet ihren Mann gar ins Basislager.
Eliza Kubarska beschwört in ihrem Film mit sensationellen Bildern die Majestät der Berge.
Hier trifft die Familie andere Begleiter sowie die Russen Dimitry Golovchenko und Sergey Nilov, die zusammen mit dem Polen Marcin Tomaszewski den Aufstieg planen. Die Wetterprognosen allerdings sind suboptimal. Auch entstehen unter den drei Bergsteigern betreffend die Auslegung von Sicherheitsdispositiven alsbald heftige Spannungen. Und auch Ngada Sherpa, einer der besten und erfahrensten Hochgebirgsträger der Gegend, kommen allmählich Zweifel.
Die Polin Eliza Kubarska, eine erfahrene Alpinistin die bereits etliche packende Dokumentationen vorstellte – darunter den 2015 entstandenen «K2. Touching the Sky» – begleitet die Expedition. Sie fokussiert dabei vorwiegend auf den Clinch der Sherpas, schildert zugleich aber auch die extreme Situation, in der sich die Bergsteiger befinden. Sie beschwört in ihrem Film mit zum Teil sensationellen Bildern die Majestät der Berge. Zugleich aber benennt sie unerschrocken auch die Probleme einer globalisierten und von reichen Egozentrikern dominierten Welt, in der Spiritualität und Tradition zunehmend verloren gehen.
4 von 5 ★
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