Article23. September 2021 Cineman Redaktion
Filmtagebuch: Vorsicht, Beklemmungsgefahr! Filme auf engem Raum
Nicht anspruchsvoll, aber doch spannend genug, um etwas mehr als anderthalb Stunden passabel zu unterhalten: Auf dieses Fazit lässt sich der räumlich begrenzte Rätselthriller «Escape Room» von 2019 herunterbrechen, der gegen Ende die Voraussetzungen für eine Fortsetzung schafft. Das Sequel steht nun in den Startlöchern und bietet uns die Gelegenheit, einige Kinofilme vorzustellen, die durch ihr beengtes Setting Klaustrophobikern den Angstschweiss auf die Stirn treiben dürften. Schon Meisterregisseur Alfred Hitchcock wusste in «Das Rettungsboot» (1944) die Konzentration auf einen Schauplatz zu nutzen, um sein Publikum zu fesseln.
Christopher Diekhaus
1. «Das Boot» (2004)
Darum geht’s: Im Jahr 1941 geht der deutsche Kriegsberichterstatter Leutnant Werner (Herbert Grönemeyer) an Bord des U-Bootes U 96, das im Rahmen der Atlantikschlacht feindliche Schiffe versenken soll. Seine anfangs positive Stimmung reibt sich schon bald mit der Wirklichkeit unter Wasser. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist konfliktträchtig. Und ständig lauert die Gefahr, selbst bombardiert zu werden.
Sehenswert, weil… Jost Vacanos agile Handkamera den beengten U-Boot-Schauplatz für den Zuschauer auf intensive Weise erfahrbar macht und die Darstellerriege die unheilvolle Dynamik an Bord mit vollem Einsatz zum Ausdruck bringt. Wolfgang Petersens vielfach prämierte, in sechs Oscar-Kategorien nominierte Adaption des gleichnamigen Romans von Lothar-Günther Buchheim mag in ihren politischen Dimensionen diskutabel sein. In technischer Hinsicht ist der 32-Millionen-DM schwere Streifen aber ein Meilenstein des deutschen Kinos und gilt nicht zu Unrecht als bester je gedrehter U-Boot-Film, bei dem man den Schweiss der unter Strom stehenden Protagonisten beinahe riechen kann. Anteil an der nervenzerfetzenden Stimmung hat nicht zuletzt Klaus Doldingers treibende Musikuntermalung. Wer tatsächlich unter Klaustrophobie leidet, dürfte Petersens Bewerbungstitel für Hollywood eher nicht unbeschadet durchstehen.
5 von 5 ★
2. «Cube» (1997)
Darum geht’s: Sechs Menschen, die über ganz unterschiedliche Persönlichkeiten verfügen und sich nicht kennen, finden sich in einem aus vielen Würfeln zusammengesetzten Gebäude wieder und merken schnell, dass in manchen «Räumen» tödliche Fallen auf sie warten. Der Grund für ihre Gefangennahme erschliesst sich ihnen nicht. Und um das Labyrinth verlassen zu können, müssen sie an einem Strang ziehen. Dumm nur, dass sich die Anspannung mit fortlaufender Dauer in handfesten Konflikten niederschlägt.
Sehenswert, weil… uns Vincenzo Natali in ein surreales, farblich markant gestaltetes Setting versetzt, dessen scheinbare Ausweglosigkeit mehrfach das Schlechte im Menschen hervorbringt. «Cube» besteht aus Versatzstücken, die man aus anderen Filmen kennt, die hier aber auf frische, produktiv mysteriöse Weise zu einem blutig-schweisstreibenden Rätselalbtraum verschmelzen. Dass im Angesicht des nackten Überlebenskampfes moralische Grundsätze zügig über Bord fliegen können, macht die experimentelle Independent-Produktion vor allem am Beispiel der Polizistenfigur deutlich. Eine eigenwillige, konstant unbehagliche Atmosphäre stellt sich auch deshalb ein, weil der Regisseur nicht der Versuchung erliegt, die Aussenwelt zu zeigen oder eindeutige Erklärungen anzubieten. Minimalismus kann so aufregend sein!
3 von 5 ★
3. «The Descent – Abgrund des Grauens» (2005)
Darum geht’s: Ein Jahr nach einem tragischen Autounfall, bei dem Sarah (Shauna Macdonald) ihre kleine Tochter und ihren Mann verloren hat, ringt sie sich zu einem Erlebnistrip mit einigen Freundinnen durch. In der Abgeschiedenheit der Appalachen unternehmen die sechs Frauen eine Höhlenexpedition, die allerdings rasch lebensbedrohliche Züge annimmt. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass der Ausgang plötzlich verschüttet wird, erkennen die eingeschlossenen Abenteuerinnen irgendwann auch noch, dass in den schmalen Gängen eigenartige Kreaturen auf frische Beute lauern.
Sehenswert, weil… Regisseur und Drehbuchautor Neil Marshall das losbrechende Grauen geschickt vorbereitet. Fast hat es den Anschein, als hätte er sich Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker «Alien» (1979) zum Vorbild genommen, dessen ausführliche Exposition der Garant dafür ist, dass wir ernsthaft um die Protagonistin Ellen Ripley (Sigourney Weaver) bangen. Auch «The Descent – Abgrund des Grauens» haut uns nicht gleich in den ersten zehn Minuten Schockeffekte um die Ohren, sondern vermittelt uns ein Gefühl für die Frauenclique und verfolgt akribisch ihren Einstieg in die Höhle. Erst nach der Hälfte sind die im Handlungsabriss erwähnten blutdurstigen Geschöpfe zu sehen, die fortan Jagd auf Sarah und ihre Freundinnen machen. Der Film spielt mit der menschlichen Urangst vor der Dunkelheit, überträgt in vielen Momenten die Desorientierung der Figuren direkt auf den Zuschauer und punktet mit einem in den altehrwürdigen Pinewood Studios errichteten Höhlensystem, das zu keinem Zeitpunkt künstlich erscheint. Unter dem Strich zählt Marshalls blutig-dreckiger Schocker zu den unangenehmsten Leinwanderfahrungen im modernen Horror- und Thrillerkino.
4 von 5 ★
Die Fortsetzung des Artikels findet ihr hier.
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