Interview19. Dezember 2023

3 Fragen an die Regisseure von ALTER EGO

3 Fragen an die Regisseure von ALTER EGO
© Amka Films

ALTER EGO ist eine Krimiserie, die in Bellinzona im Tessin während des wohl bekanntesten und beliebtesten Karnevals des Kantons spielt. IMAGIQUE hat den beiden Regisseuren, Erik Bernasconi und Robert Ralston, drei Fragen gestellt.

Am Tag nach dem Karneval wird in der Nähe von Bellinzona die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Das Ermittlerteam wird plötzlich mit Verbrechen konfrontiert, die in einer Vergangenheit voller Schatten verwurzelt sind. Verbrechen, die die Stadt mit Blut beflecken, aber vor allem auch die menschliche Seele, die Seele einer Gemeinschaft, die glaubt, nichts zu verbergen zu haben.



Es ist das erste Mal, das ihr an einer Mordgeschichte gearbeitet habt. Ihr habt euch dafür intensiv mit dem Beruf der Kriminalpolizist:in auseinandergesetzt und mit Berater:innen der Polizei zusammengearbeitet. Was an diesem Beruf hat euch am meisten beeindruckt?

Robert: Tatsächlich hatte ich noch nie mit Kriminalgeschichten zu tun und mein Wissen war daher nicht sehr ausgeprägt. Für mich bestand die Arbeit der Polizei aus Verfolgungsjagden und der Bekämpfung von Verbrechen. In Wirklichkeit verbringen Polizist:innen auch viel Zeit mit Büroarbeit, dem Schreiben von Berichten und Verwaltungsaufgaben. Andererseits glaube ich, dass der emotionale Stress und der psychische Druck, die mit der Polizeiarbeit verbunden sind, hoch sind. Polizist:innen sind viel häufiger mit traumatischen Ereignissen konfrontiert und müssen in der Lage sein, damit umzugehen...

Erik: Was mich vielleicht am meisten beeindruckt hat, war die grosse Bereitschaft und der Enthusiasmus, mit dem uns die Polizei - die verschiedenen an einer Ermittlung beteiligten Dienststellen - unterstützt hat. Sie liessen uns erzählerische Freiheit, sogar mit einigen Verfahrensabweichungen, aber es war ihnen sehr wichtig, dass wir ein glaubwürdiges Bild der Arbeit des Teams vermittelten, und das war natürlich auch eines unserer Anliegen. Was uns auf seltsame Weise klar wurde, war, dass eine Ermittlung sehr viel Ähnlichkeit mit einer Filmarbeit hat: Sie ist Teamarbeit, es gibt viele verschiedene Talente, viele Aspekte, die berücksichtigt werden müssen, aber jede Fachabteilung muss an einem Strang ziehen. Und wenn sie dies mit Leidenschaft tun, wirkt sich das auch auf das Ergebnis aus.

Es kommt vor, dass man diese Masken so lange trägt, dass man sie nicht mehr ablegen kann. Infolgedessen wissen wir irgendwann nicht mehr, wer wir wirklich sind.– Robert Ralston, Co-Regisseur

Laut dem Soziologen Erving Goffmann ist unsere Persönlichkeit kein inneres Phänomen, sondern die Summe der verschiedenen "Masken", die wir im Laufe unseres Lebens tragen. In ALTER EGO ist der Karneval ein Symbol für "Freiheit", ein Moment, in dem wir, wir selbst sein können, indem wir eine Maske tragen. Warum glaubst Du, dass der Mensch Masken tragen muss?

Robert: Masken sind ein Teil des Lebens. Manche schützen uns, vor allem in kleinen Gemeinschaften, in denen die Privatsphäre wichtig ist. Es gibt aber auch Masken, die schaden können. Denn ab einem bestimmten Zeitpunkt ist es nicht mehr möglich, sie abzunehmen. Alle Masken tragen dazu bei, das wahre Ich vor potenziellen Bedrohungen zu schützen. Es kommt jedoch vor, dass man diese Masken so lange trägt, dass man sie nicht mehr ablegen kann. Infolgedessen wissen wir irgendwann nicht mehr, wer wir wirklich sind.

Erik: Das Nachdenken über Masken reicht wahrscheinlich bis in die Anfänge der Menschheit zurück und ist auch ein Eckpfeiler des Theaters von Pirandello, um nur einen zu nennen. Als Menschen sind wir von unserer Geburt bis zur nächsten Stufe der Evolution auf der Suche nach unserer Identität. Wir benutzen Masken, um über uns selbst zu lachen, um uns anders zu fühlen, um akzeptiert zu werden, um nicht erkannt zu werden, um eine andere Identität zu beweisen, um Angst zu machen... aus tausend Gründen, die uns auf die ursprüngliche Frage zurückführen: Wer sind wir?

Alter Ego © Amka Films

Wenn Alter Ego nicht in Bellinzona während dem Karneval gespielt hätte, welche andere Stadt und Veranstaltung in der Schweiz hättet ihr gewählt?

Robert: Ich glaube, ich hätte Chur gewählt, nicht nur, weil ich aus dieser Stadt stamme und schon immer einen Film dort machen wollte, sondern auch, weil ich glaube, dass sie viele visuelle und soziologische Ähnlichkeiten mit Bellinzona aufweist, wodurch sich die Geschichte voll entfalten kann.

Erik: Es ist heute schwierig, sich diese Geschichte anderswo als in Bellinzona vorzustellen. Der Schreib- und Realisierungsprozess ist mit den Bildern dieses Ortes verschmolzen, die Steinmauern von Bellinzona dienten uns als Thriller. Vielleicht muss man sich, um sich eine andere Stadt vorzustellen, eine andere Geschichte ausdenken, und dann kann man sich sicherlich vorstellen, nach Chur zu gehen, den Karneval in Luzern oder Basel, das Festival in Locarno, ein Schweizer Schwingfest auszuloten... aber es ist die Geschichte, die den Ort auswählt, und nicht umgekehrt.

Alter Ego © Amka Films

Die Serie wurde von RSI Radiotelevisione Svizzeras SRG SSR und Amka Films produziert und ist auf Play Suisse verfügbar. Anfangs 2024 wird ALTER EGO auf SRF und RTS ausgestrahlt.

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