Filmkritik
Mysterium Frau
Der französische Regisseur Patrice Leconte möchte uns nach dem schwarzweissen Bilderrausch von"La Fille sur le Pont" und dem Kostümdrama "La Veuve de Saint-Pierre" eine kleine, einfache Liebesgeschichte erzählen und verliert sich immer wieder in unnötigen Tiefgründigkeiten.
Lola (Charlotte Gainsbourg) ist geheimnisvoll, schweigsam. Sie sitzt in einem Autoscooter und lässt sich scheinbar willenlos treiben und von den anderen anrempeln. Félix (Philippe Torreton), Besitzer der Scooterbahn, verliebt sich Hals- über Kopf in sie. Ihre dunkle Traurigkeit unterscheidet sie von all den anderen Mädchen, die er auf dem Jahrmarkt kennen gelernt hat. Von wo Lola kommt, was sie auf dem Jahrmarkt zu suchen hat und wohin sie will, weiss Félix anfangs nicht. Er bekommt auf seine Fragen nur ausweichende Antworten. Als sie bei ihm im Wohnwagen einzieht und er sein Glück kaum fassen kann, verschwindet sie immer wieder ohne Erklärung. Doch Félix wird immer tiefer in ihre Welt hineingezogen und bald lässt ihn seine Liebe vor nichts mehr zurückschrecken.
In "Le Mari de la Coiffeuse" weiss der Protagonist bereits im Bubenalter, dass er einmal eine Coiffeuse heiraten will, da ihn diese Frauen und ihr Beruf faszinieren. In "La Fille sur le Pont" lässt sich die lebensmüde, mysteriöse Adèle willenlos von Gabor in eine fremde Welt entführen und bestimmt fortan sein Schicksal. In "La Veuve de Saint-Pierre" opfert Madame La ihre Privilegien und ihre grosse Liebe für einen Sträfling, und ihr Mann verteidigt ihre unerklärliche Tat mit seinem eigenen Leben. Frauen als unergründliche, anbetungswürdige Wesen und Männer, die ihnen hoffnungslos verfallen � Patrice Leconte variiert auch in seinem neuesten Film sein Lieblingsthema: Lola braucht Félix' Liebe, um sich wieder zu spüren, lebendig zu sein, während seine Gefühle immer mehr zur Obsession werden und er bereit ist, alles für sie zu tun.
Doch auch wenn seine Liebesgeschichten von grossen Leidenschaften erzählen, sind sie selten leidenschaftlich. Die simple Begegnung in "Félix et Lola" wird durch Lolas unerklärliches Verhalten mit Bedeutung und Spannung aufgeladen, die wie eine Seifenblase zerplatzt, als sie ihm die Lügen eingesteht, auf denen ihr Leben aufgebaut ist. Die psychologisierenden Phrasen, die ihr Kindheitstrauma erklären sollen, zerstören die leicht surreale Stimmung des Films, die genau seinen Reiz ausmacht. Leconte ist unbestritten ein Meister des Atmosphärischen, und der Jahrmarkt bietet den idealen Ort dazu, mit virtuosen Kamerabewegungen die verführerische Glitzerwelt einzufangen. Seine Geschichten und die Sätze, die er seinen SchauspielerInnen in den Mund legt, wirken hingegen wieder einmal unnötig aufgeblasen. Ein Umstand, den man "Félix et Lola" teilweise verzeiht, weil Charlotte Gainsbourg mit ihrem intensiven Spiel und ihren melancholischen, dunklen Augen einmal mehr zu verzaubern weiss.
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