CH.FILM

Sottosopra Schweiz 2002 – 91min.

Filmkritik

Rückblick zu Beginn des weiblichen Jahrtausends

Filmkritik: Andrea Bleuler

Die Bernerin Gabriele Schärer porträtiert vier starke weibliche Persönlichkeiten, die sich zeitlebens für die Sache der Frau eingesetzt und sich mit ihren Geschlechtsgenossinnen verbündet haben. In ihrem Film hätte sie das „Ende des Patriarchiats“ dokumentieren wollen. Von vier eindrücklichen Lebensgeschichten darf sich ihr Projekt nähren - die Reaktion auf den reisserischen Schlachtruf fällt bei den gestandenen Töchtern Europas nach weiblicher Manier diplomatisch aus.

"Eine Bundesrätin, die aussieht wie eine Friseuse! So weit darf es nicht kommen!" - solche Argumente hat sich Christiane Brunner anlässlich ihrer Kandidatur zur Bundesrätin noch anhören müssen. Mit einigen Jahren Abstand macht diese Aussage nur noch halb so wütend. Vielmehr schmunzelt man etwas gehemmt, scheinen doch solche primitive Schlachten einer weit entfernten Vergangenheit anzugehören.

Neben der SP-Politikerin Christiane Brunner, seinerzeit Mitinitiantin des Frauenstreiks, kommen in Schärers Dokumentation auch die feministische Theologin und Freidenkerin Marga Bührig, die Krankenschwester Heidi Esner und die Philosophin Luisa Muraro zu Wort und berichten über Meilensteine in ihrem Werdegang zu emanzipierten Zeitgenossinnen. Die verschiedenen Lebensgeschichten werden visuell verknüpft durch eine Rollerfahrerin (Ruth Schwegler) in knallrotem Jupe, die in rasantem Tempo von Schauplatz zu Schauplatz eilt. Im Film werden aber nicht nur Vorkämpferinnen vorgestellt, sondern auch jüngere Frauen, die sie nach sich ziehen (Töchter, Assistentinnen und Schützlinge). Erschreckenderweise wirken diese jungen Menschen aber überhaupt nicht als Pionierinnen ihrer Zeit, sondern lediglich als treue Begleiterinnen ihrer Vorbilder.

Die eigentlichen Glanzlichter der Films sind diejenigen Momente, in denen die Frauen von den Lebensformen erzählen, die sie jenseits der üblichen Normen gewählt haben. So hat zum Beispiel Marga Bührig noch während des Zweiten Weltkriegs die erste Studentinnen-Wohngemeinschaft ins Leben gerufen und hält auch jetzt noch - mit 85 - an dieser Wohnform fest.

Gänzlich misslungen ist jedoch das inszenatorische Bemühen von Seiten der Filmemacherin: Intermezzos wie Badespass, Mini-Performance und Tischrunde wirken befremdend und lassen das Vertrauen in die Autorin schwinden. Auch die Wahl von Hochdeutsch als erster Filmsprache entpuppt sich als problematisch und lässt sprachlich weniger gewandte Darstellerinnen unbeholfen und schwerfällig wirken.

"Sottosopra" ist keine aktuelle Bestandesaufnahme der Situation der Frauen, sondern bestenfalls ein retrospektives Zeitdokument, das ausgestandene Kämpfe auf durchaus eindrückliche, aber von der Filmgestaltung her nicht auf besonders geschickte Weise in Erinnerung ruft. Kommt dazu, dass die Dokumentation auf lange 90 Minuten ausufert und schliesslich gar mit solch altertümlichen Parolen wie "Wir brauchen die Männer nicht!" abgeschlossen wird. Schade, denn wir sind doch nun schon seit geraumer Zeit auf einer anderen Dialogstufe angelangt.

17.02.2024

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