Le souffle du désert Kanada, Frankreich, Schweiz 2005 – 80min.
Filmkritik
Männer, ab in die Wüste!
Wann ist ein Mann ein Mann? Grönemeyers 80er-Hit könnte als Soundtrack zu diesem kurzweiligen und doch tief greifenden Dokumentarfilm dienen. 13 Männer und ein Psychotherapeut ziehen aus in die karge Wüste, auf eine Reise in ihr Inneres.
Mann spricht für gewöhnlich über Autos, Arbeit, Fussball und Frauen - die Reihenfolge variiert. Höchst selten jedoch spricht er über sich, seine Gefühle, seine Ängste und Sorgen, sein Selbstverständnis. Zuletzt tut er dies in Gesellschaft anderer Männer. In der 80-minütigen Doku von Film- und TV-Regisseur François Kohler sind die Protagonisten jedoch genau dazu angehalten.
Die Ausgangslage ist sowohl inhaltlich als auch stilistisch simpel: In Begleitung eines Psychotherapeuten, einheimischen Reisebegleitern und eines Kamerateams ziehen 13 Männer aus verschiedenen Altersgruppen, Berufen, Schichten und Ländern aus, um 15 Tage in der tunesischen Wüste offen und laut über sich nachzudenken. Schnell wird klar, jeder der Teilnehmer trägt (schweren) Ballast mit sich herum, den es nicht nur symbolisch, wie am Anfang des Films, ins Feuer zu werfen, sondern in Gesprächen zu verarbeiten gilt. Da ist beispielsweise der 41-jährige Emmanuel-François, der anfangs das Testament seiner verstorbenen Mutter verbrennt, um sich von ihrem hemmenden Einfluss zu lösen. Ein anderer, Gaëtan, hat Angst davor, seine Vaterrolle einem anderen zu überlassen. Oder da ist Eric, der sich mitten in einer Sinnkrise nicht mit seiner inneren Wut arrangieren kann. Dreizehn Einzelfälle, die sinnbildlich für die Krise des männlichen Selbstverständnisses stehen sollen. Was zeichnet den heutigen modernen Mann aus? Beruflicher Erfolg? Soziale Kontakte? Liebe? Vaterschaft? Fragen werden mit diesem Film aufgeworfen und ansatzweise diskutiert, beantworten muss sie schliesslich jeder Mann für sich selbst.
Die Wüste erweist sich für der "Suche nach der Männlichkeit" als stimmige Kulisse. Die unwirtliche Umgebung macht es den Teilnehmern offensichtlich einfach, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Es gibt sozusagen kein Versteck im endlos scheinenden Sand. Aber auch für den Zuschauer bringt die Kargheit der Wüste die seelische Nacktheit der Reisenden auf den Punkt.
Es ist im alltäglichen Leben - und auf der Leinwand erst recht - eine Seltenheit, Männer in ihrer ganzen Verletzlichkeit zu erleben. Wo hört man(n) schon, dass das Gegenüber gern nachts im Freien pinkeln geht oder kaum je Freude beim Sex verspürt. François Kohler gelingt es, dem Film die nötige Tiefe zu verleihen, ohne ihm stilistisch durch zuviel Methodik den nötigen Charme zu nehmen. Angesichts der Kürze des Films ist es nicht verwunderlich, dass ihm eine wünschenswerte Breite fehlt. Obwohl Kohler auf einige Protagonisten fokussiert, tut er dies nur halbherzig. Den respektvollen und niemals voyeuristischen Blick erhält er sich allerdings bis zum zu kurz geratenen Schluss. Als Fazit bleibt dabei nur festzuhalten: Männer, ab in die Wüste! - Sei's auch nur symbolisch.
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