Quinceanera USA 2006 – 91min.

Filmkritik

Zwischen Tradition und Gegenwart

Simon Spiegel
Filmkritik: Simon Spiegel

In Südamerika ist der fünfzehnte Geburtstag einer jungen Frau ein besonderes Fest: Die sogenannte "Quinceañera" markiert den Eintritt ins Erwachsenenleben, das Ende der Kindheit. Und im Falle von "Echo Park", dem Hispano-Stadtteil von Los Angeles, ist die Quinceañera auch der Moment, an dem die Bruchlinien zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Tradition und modernem Leben sichtbar wird. Denn mindestens so wichtig wie die spirituelle Bedeutung des alten Brauchs ist für die Gefeierten, wer die grössere Limo hat und wer mit welchem Jungen tanzt.

Die Hispanics sind die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe der USA, dennoch waren sie auf den internationalen Kinoleinwänden bislang weitgehend abwesend. Und es ist durchaus bezeichnend, dass mit Richard Glatzer und Wash Westmoreland zwei weisse Regisseure für dieses Gesellschaftsgemälde verantwortlich sind. Im Zentrum ihres Filmes stehen Magdalena (Emily Rios) und ihr Cousin Carlos (Jesse Garcia), die beiden schwarzen Schafe der Familie - er, weil er Gangmitglied und schwul ist, sie, weil sie von ihrem Freund geschwängert wurde. Die beiden finden Unterschlupf beim alten Tomas (Chalo González), der guten Seele des Quartiers.

Nicht nur die junge Generation stellt die Traditionen in Frage, die Hispano-Gemeinde als solche ist bedroht. Echo Park hat sich zum In-Quartier gemausert, gut verdienende Weisse ziehen ein, die Preise schiessen in die Höhe. So etwa Gary (David W. Ross) und James (Ramiro Iniguez), das schwule Paar, das neu neben Tomas wohnt. Doch die beiden, die auch als Selbstportrait der beiden Regisseure fungieren, sind nicht nur auf eine hippe Wohnung aus, mindestens so sehr reizen sie knackige Latinos wie Carlos. Zwischen den dreien entwickelt sich ein kompliziertes Liebesverhältnis, bei dem der junge, unerfahrene, mittellose und - wie sich herausstellen wird - sexuell unerfahrene Latino zwangsläufig den Kürzeren ziehen muss.

Derweil versucht die angehende Mutter Magdalena ihr Leben in den Griff zu kriegen, doch auch sie, die wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind gekommen ist, hat mit Vorurteilen und sozialen Barrieren zu kämpfen: Ihr konservativer Vater verstösst sie, ihr Freund lässt sie im Stich, und von ihren Freundinnnen wird sie ausgelacht.

Glatzer und Westmoreland erzählen im Grunde typischen Seifenopernstoff, aber sie tun dies auf höchst gekonnte Weise und verquicken präzise Milieuschilderungen mit liebenswerten Figuren und einer Prise trockenem Humor. Grossen Anteil daran haben die Schauspieler, die die Geschichte nie ins Melodrama abgleiten lassen, sondern stets für Bodenhaftung sorgen.

18.05.2021

4

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Kommentare

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Klaus1108

vor 18 Jahren

Der Film zeigt glaubwürdig die Alltags-Probleme der Hispanics in Kalifornieren, ihre Diskriminierung und ihre schlechteren Chancen im Leben. Sehr sympathisch und berührend ist die Patch-Work-Familie, die sich infolge einer Notsituation aus Magdalena, Carlos und ihrem gemeinsamen Gross-Onkel bildet. Nicht ganz glaubhaft wirkt die Sache mit Magdalenas jungfräulicher Schwangerschaft. Wer aber an Wunder glaubt, hat damit wohl weniger Schwierigkeiten.Mehr anzeigen


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