The Departed - Unter Feinden USA 2006 – 151min.
Filmkritik
Mein liebster Feind
Das Remake des Hongkong-Thrillers "Infernal Affairs" führt Martin Scorsese zurück zu den Gangstern und Gesetzeshütern, den skrupellosen und schuldgeplagten Männern, die seine besten Filme bevölkern.
Wir sind wieder in den "Mean Streets". Da wo Charlie Cappa ums Überleben kämpfte und Henry Hill seine Lektionen von den "Goodfellas" lernte. "No one gives it to you - you have to take it" macht der Bostoner Mob-Boss Frank Costello (Jack Nicholson) gleich zu Beginn klar. Und dann, zum kleinen Colin Sullivan: "Wenn du entscheidest, etwas zu sein, dann kannst du es auch sein. Als ich in deinem Alter war, hiess es, wir könnten Polizisten werden oder Kriminelle. Aber wenn du in den Lauf einer geladenen Waffe schaust - wo ist der Unterschied?" Noch bevor der Filmtitel eingeblendet wird, ist aus Sullivan (Matt Damon) ein Mafia-Spitzel im Polizeidienst geworden. Gleichzeitig schleust die Polizei einen Undercovermann in Costellos Organisation ein: Billy Costigan (Leonardo DiCaprio), einen Jungen aus der Arbeiterklasse von South Boston.
Fast dialektisch sind die beiden Männer nun aufeinander bezogen; der eine lebt das Leben, das für den anderen bestimmt wäre. Sullivan macht rasch Karriere im Polizeidienst und soll den Spitzel in den Reihen der Polizei finden - also sich selbst. Auf der anderen Seite ist es Costigan, der als Costellos Vertrauter nach dem Verräter suchen soll. Der Film spielt fortlaufend mit der spiegelbildlichen Beziehung der beiden Männer, die voneinander wissen, aber sich noch nie gesehen haben. Eine Schlüsselszene zeigt Costigan seinem Rivalen dicht auf den Fersen, doch er kann ihn nur schemenhaft hinter einem spiegelbehangenen Chinesischen Lampion erkennen, in dessen vielen Facetten er auch selbst zu sehen ist. Bereits die Besetzung der Hauptfiguren zitiert das Motiv vertauschter Identitäten: DiCaprio ist für einmal der gequälte Antiheld, Damon scheint nach aussen unbeschwert und ohne Selbstzweifel.
Beeindruckend auch der restliche Cast: Martin Sheen, Alec Baldwin und in einer Paraderolle Mark Wahlberg als schnoddriger Vorgesetzter mit breitem Boston-Akzent. Viel Hollywood-Prominenz also, aber der eigentliche Star des Films ist seine Prämisse. Und die ist zu gut, als dass sie nicht schon jemand gehabt hätte. "The Departed" bedient sich beim Thriller-Hit "Infernal Affairs" (2002) aus Hongkong, dem Martin Scorsese und sein Drehbuchschreiber William Monahan bis auf den Schluss recht getreu folgen. Nur mit Vera Farmiga wird eine neue Figur eingeführt, die als geteilter Love-Interest die Hauptcharaktere auch auf Gefühlsebene zusammenbringt.
Emotionen jenseits von Nicholsons Overacting kann der Film tatsächlich gut gebrauchen. Sein Plot entwickelt sich gekonnt, aber aus der Distanz. Man wünscht sich mehr Schweiss und Tränen (Blut hat es genug), mehr von dem, was "Goodfellas" so unvergesslich machte. Damit erschöpft sich schon die Kritik: Dass Martin Scorsese die Mechanismen des Kinos versteht wie kein Zweiter, muss an dieser Stelle nicht betont werden, eben so wenig wie gut Michael Ballhaus und Thelma Schoonmaker als sein Kameramann respektive seine Cutterin funktioneren. Mit "The Departed" ist Scorsese in angestammtes Terrain zurückgekehrt. Hoffentlich verlässt er es nicht so schnell wieder.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung