CH.FILM

Bergauf, Bergab Schweiz 2007 – 101min.

Filmkritik

Bodenständige Nomaden im Urnerland

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Die Kempfs bewirtschaften drei Höfe im Urner Schächental - von der Talsohle bis auf 1715 Meter. Die Familie wandert mit Kindern, Kälbern und Kühen von einem Hof zum andern - bergauf, bergab. Hans Haldimann hat sie begleitet. Entstanden ist ein Zeitdokument abseits der Konsumgesellschaft.

November. Tiefer Schnee. Männer und Rinder stapfen bergan. Max Kempf zieht mit Sack und Pack, Kind und Kegel und Vieh auf 1715 Meter Höhe - im Winter. Denn dieser Zug auf den «Pfaffen» wird von der Nahrung diktiert. Es sei einfacher, erklärt Bergbauer Kempf, die Tiere zum Heu zu bringen als umgekehrt. Ohne staatliche Unterstützung - sprich: Subventionen - und ohne Jammern und Klagen baute er 2005 mit Familienangehörigen und Helfern einen neuen Stall über der Baumgrenze.

Im Schweisse ihres Angesichts mähen sie das Gras an steilen Hanglagen, bündeln es und tragen es zur Seilbahn. Das Heu wird dann in Wintermonaten ans Vieh verfüttert - auf 1715 Meter Höhe. Bergbauer Kempf (33) bewirtschafte drei Höfe im Urner Schächental, den «Buchen» im Tal, den «Bieler» auf 1130 Meter und eben den Betrieb «im Pfaffen» auf 1715 Meter Höhe. Überhaupt haben Behördenvertreter wenig Verständnis dafür, das die Kempfs drei Höfe bewirtschaften.

Zehnmal im Jahr zügelt die Familie. Die ganze Familie - Ehefrau Monika und die Knirpse Ueli und Wisi, die Eltern sowie die Schwester Marthi - zieht am selben Strick. Hier gilt tatkräftige Solidarität - ohne Wenn und Aber. Max Kempf lacht, wenn er von Entbehrungen und dem harten Alltag sprich. Er weiss, welch grossen Anteil seine Frau Monika an diesem Existenzkampf hat: «Für einen Bergbauern ist eine gute Frau effektiv das Kapital.» Er meint das keineswegs berechnend oder ironisch, sondern anerkennend, verschworen. Und diese Frau meint trocken: «Jeder macht aus seiner Situation das Beste.» Behördenvertreten haben übrigens wenig Verständnis dafür, dass die Kempfs drei Höfe bewirtschaften. So viel Aufwand - wofür?

Liebevoll und verständnisvoll, akribisch und authentisch dokumentiert Hans Haldimann den entbehrungsreichen Alltag der Kempfs in seinem schlichten Heimatfilm «Bergauf, Bergab». Dass dieses Leben nicht sorglos verläuft, deutet sich an, wird aber nicht erläutert. Auf jeglichen Kommentar oder Off-Stimme wurde verzichtet. Überhaupt lamentieren die Kempfs nicht - sie packen an. Musikalische Akzente setzt Pascal Schaer; den Schnitt besorgt Mirjam Krakenberger. Sie verzichtet auf ein chronologisches Erzählen und fordert so die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Entstanden ist ein Heimatfilm, der in schöner Tradition zu Fredi M. Murers frühem Dokumentarfilm «Wir Bergler in den Bergen...» oder den Arbeiten Erich Langjahrs steht.

17.02.2024

4

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Kommentare

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gaber

vor 12 Jahren

eindrückliches portrait einer jungen schaffigen familie. es scheint, als entstammten sie einer andern zeit - es stellen sich fragen, die nicht beantwortet werden, denn im kontext dieser zeit stellen sie sich gar nicht.
absolut sehenswert, vgl. regulas kommentar!


popkoernchen

vor 16 Jahren

Nette kleiner Doku. Ist etwa 30min zu lange.


alugar

vor 16 Jahren

Ich habe gestern Abend zusammen mit Familienangehörigen die Vorpremiere von Bergauf, Bergab gesehen. Wir waren alle tiefbeeindruckt. Es ist berührend wie die Kempfs chrampfen, sich helfen, sich respektieren und schätzen mit dem Ziel, das Vieh gut zu halten, redlich zu wirtschaften und Ende Jahr die Rechnungen bezahlen zu können. Sehr interessant auch zu beobachten, wir führungsstark der Jungbauer ist und wie hoch seine Akzeptanz ist. Ich freue mich, dass das Schächental mit den Leute, die dort leben, so deutlich gezeigt wird und so prächtig erscheint. Für mich war auch klar fühlbar, dass Herr Haldimann sehr sensibel und liebevoll gefilmt hat. Ich bin heute Morgen topmotiviert und sehr zufrieden an meine Arbeit gegangen.
Grosses Kompliment.Mehr anzeigen


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