Verstehen Sie die Béliers? Belgien, Frankreich 2014 – 105min.

Filmkritik

Loslassen ist schwer

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Mehr als fünf Millionen Zuschauer in Frankreich und sechs Nominierungen für den César, den wichtigsten Filmpreis des Landes: Regisseur Éric Lartigau (L’homme qui voulait vivre sa vie) scheint mit seiner munteren Familienkomödie einen Nerv getroffen zu haben, liefert bei genauerem Hinsehen jedoch recht schablonenhafte Wohlfühlunterhaltung ab.

Da ihre Eltern und ihr Bruder gehörlos sind, hat die 16-jährige Paula Bélier (Louane Emera) alle Hände voll zu tun. Ständig springt sie als Dolmetscherin für ihre Familie ein und kümmert sich gewissenhaft um jede wichtige Angelegenheit. Als ihr Vater Rodolphe (François Damiens) eines Tages auf die Idee kommt, für das Bürgermeisteramt ihrer Kleinstadt zu kandidieren, und parallel ein Musiklehrer Paulas Gesangstalent entdeckt, steht die Welt der Béliers endgültig Kopf. Soll die junge Frau ihren Vater und ihre Mutter (Karin Viard) im Wahlkampf unterstützen oder ihren Träumen nacheifern und sich um ein Stipendium an einer Pariser Musikakademie bewerben? Eine Entscheidung, die Paula äußerst schwerfällt. Nicht zuletzt, weil sie sich ausgerechnet jetzt in einen Mitschüler verliebt.

Erfrischend ungezwungen greift der Film das Thema "Gehörlosigkeit" auf und macht sich für einen offenen Umgang stark. Gerade im unbekümmerten, bisweilen chaotischen Miteinander der Béliers wird deutlich, wie leidenschaftlich Menschen ohne Gehör kommunizieren. Gleichzeitig nutzt Lartigau die dynamische Zeichensprache und Paulas "Übersetzungen", die manchmal absichtlich falsch ausfallen, für zahlreiche kleine Späße, trifft mit diesen allerdings nicht immer ins Schwarze.

Auf Handlungsebene will La famille Bélier vieles auf einmal sein, kokettiert mit dem Genre der Provinz-Posse, präsentiert sich als waschechte Coming-of-Age-Geschichte inklusive handfester romantischer Anwandlungen und vermengt das Ganze mit Versatzstücken des Musikfilms. Was spannend und facettenreich klingt, erweist sich in Wirklichkeit aber als dramaturgischer Flickenteppich, dessen Einzelteile – will heißen die unterschiedlichen Plot-Stränge – zumeist auf recht grobe Weise miteinander verwoben sind.

Sehenswert ist nichtsdestotrotz der erste Kinoauftritt von Hauptdarstellerin Louane Emera, die Paulas langsamen Abnabelungsprozess mitreißend-sympathisch spielt und ihre wunderbare Stimme – sie war Teilnehmerin der zweiten "The Voice"-Staffel in Frankreich – mehrmals zur Geltung bringen kann. Amüsante Farbtupfer setzt darüber hinaus Éric Elmosnino als eifriger und spitzzüngiger Musiklehrer, der die Protagonistin Schritt für Schritt zu musikalischen Höchstleistungen anspornt.

19.02.2024

3

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Kommentare

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schnubel

vor 9 Jahren

Sehr unterhaltsam, witzig, emotional, aber auch tiefgründig. Sollte man nicht verpassen. Sehr zu empfehlen: -)


jsteuble

vor 9 Jahren

Charmante Feelgood-Komödie mit schönen Liedern.


Martin.Koeberle

vor 9 Jahren

Schöne Familiengeschichte, für für älteres Publikum welches selber ältere Kinder hat auch sehr emotional. Viel Humor und sehr gut gesungen von Louane


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