Servants Tschechische Republik, Irland, Rumänien, Slowakei 2020 – 80min.

Filmkritik

Welchem Gott soll man dienen?

Filmkritik: Teresa Vena

Zwei Freunde treten in den 1980er in der Tschechoslowakei in ein Priesterseminar ein. Doch die katholische Kirche bietet nicht den Schutz und die Freiheit, die sie sich erhofft haben. Gedrängt von der Kommunistischen Partei soll das Institut nämlich auf die politische Indoktrinierung seiner Schüler einwirken. Regisseur Ivan Ostrochovský hat einen spannungsgeladenen Film noir in poetischen Schwarz-Weiss-Bildern realisiert.

Es sind die 1980er Jahre in der damaligen Tschechoslowakei: Ein Geheimdienstmitarbeiter (Vlad Ivanov) bearbeitet seit Wochen den Dekan (Vladimir Strnisko) eines katholischen Seminars, damit dieser mit der Kommunistischen Partei zusammenarbeitet, politischen Widerstand in den eigenen Reihen unterdrückt und mögliche Gegner verrät. Eine Folge davon ist die Festnahme, Folter und schliesslich der Tod des Paters Coufar (Vladimír Obšil). Die Freunde Michal (Samuel Polakovič) und Juraj (Samuel Skyva), beide Novizen und noch reichlich naiv, geraten auf unterschiedliche Weise zwischen die Fronten.

Angesiedelt ist der, in präzisen Schwarz-Weiss-Bildern erzählte, Film noir des slowakischen Regisseurs Ivan Ostrochovský in einer Zeit, in der sich die Regierungen der sogenannten Ostblock-Staaten noch einmal zu den bewehrten totalitären Herrschaftsmustern griffen, bis dann etwa ein Jahrzehnt danach mit dem Zerfall der Sowjetunion auch die jeweilige kommunistische Führungsschicht an Legitimierung und Macht verlor. Am Beispiel der Tschechoslowakei thematisiert «Servants» die Position und Rolle der Kirche in diesem Kontext. Die Kommunistische Partei wollte die Kirche entmachten und sie nur insofern tolerieren, als sie sich zur Kooperation in Bezug auf Propaganda und in der Druckausübung auf Opponierende bereit erklärte.

Die Protagonisten in Ostrochovskýs spannungsgeladenem Drama müssen sich entscheiden, welcher Macht sie sich als Diener verpflichten. Ist es die geistliche, wie es die kirchliche Doktrin es vorsieht, oder die weltliche? Rechtfertigen lässt sich im Sinn der Religion einzig die erste Wahl, denn alles Weltliche ist vergänglich und missbräuchlich. Dass diese Vorstellung allerdings eine romantisch-verklärte ist, lässt sich mit einem Blick auf die Menschheitsgeschichte und die Rolle der Kirche darin erkennen – neutral war letztere nämlich nie. «Servants» kann als Pamphlet für den Mut zum Widerstand von wenigen vermeintlich Schwachen gegenüber dominanten Stärkeren angesehen werden, erzählt von Verrat, Erpressung und Solidarität. Gleichzeitig vernachlässigt der Film auf etwas undifferenzierte Weise den, im Vergleich zum realen Kommunismus, nicht weniger totalitären Charakter, den die katholische Kirche über die Jahrhunderte in vielen Situation eingenommen hat.

Über der politischen Dimension hinaus liegt die Stärke dieses Films in seiner künstlerischen Form. Jedes Bild ist sorgfältig komponiert. Mehr als die gesprochenen Worte beeindruckt die komplexe Geräuschkulisse, die aus dem Widerhall der Stimmen in den Gängen, das Rascheln der Roben, dem Knacken der Etagenbetten oder ab und zu dem Klang der Blasinstrumente der beiden Freunde besteht. In ihrer Naivität überzeugen gerade diese beiden Figuren am meisten. Den jungen Darstellern ist die Verzweiflung und die Enttäuschung in den blassen Gesichtern eingeschrieben.

28.01.2022

3

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 2 Jahren

Geräuschkulisse, Einstellungen (Seminarhof von oben, beim Fussball, beim Wäschehängen), Schweigen, unhörbare Beichte mit Sprache der gefalteten Hände: kunstvoll.
Der Bezug zur römischen Kirche heute könnte noch anders ins Spiel gebracht werden (in der Cineman-Filmkritik):
Passiert nämlich aktuell in der Auseinandersetzung der Untergrundkirche vs chinafreundlicher Kirche...Mehr anzeigen


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