Das Leben ein Pfeifen Kuba, Spanien 1998 – 105min.

Filmkritik

Träume und Albträume

Sven Schwyn
Filmkritik: Sven Schwyn

Julia ist die gute Fee in einem Altenheim, Marianna liebt den Tanz und die Männer und Elpidio schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Drei Menschen im Kuba der Neunziger, drei Schicksale, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.

Ich, Sie, wir alle sind aufgewachsen in einer Kultur, in der die Träume kaum mehr von Bedeutung sind. Das Leben ist was wir sehen und anfassen können, die Welt ist WYSIWYG ("what you see is what you get"). Fernando Pérez Valdez, der Regisseur und Drehbuchautor dieses Films, zeigt uns ein Anderswo. Seine Erzählerin ist ein Geist, allwissend und unsichtbar. Seine Protagonisten haben Träume und Albträume.

Marianna. Als Ballerina steht sie kurz vor ihrem ganz grossen Durchbruch, doch ihre Leidenschaft fürs andere Geschlecht droht alles zu zerstören. Vor Gott schwört sie deshalb allen Männern ab, wenn nur ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehe und sie die Rolle der Giselle tanzen darf. Doch dann verliebt sie sich in ihren Tanzpartner.

Elpidio. Aufgewachsen als Findelkind träumt er davon, seine Mutter zu finden. "Keine Liebe ist wie die Mutterliebe", dieses auf seine Schulter tätowierte Ideal gerät gewaltig ins Wanken, als er eine Ausländerin kennenlernt und sich in sie verliebt. Je näher sich die Zwei kommen, desto mehr entfernt er sich von seinem Traum und wendet sich letztlich ganz von der Vergangenheit ab.

Julia. In der letzten Zeit von einer seltsamen Müdigkeit befallen, sucht sie mehr oder weniger unfreiwillig einen Psychologen auf, der bald schon den Grund für ihre wiederkehrenden Schwächeanfälle findet und ihr in einer urwitzigen Szene vor Augen führt. Doch diesen Grund kennt Julia schon lange, dazu zu stehen ist eine ganz andere Sache.

Valdez erzählt diese drei Geschichten mit einer mal konventionellen, mal unwirklichen Bildersprache. Es ist nicht ganz klar, worauf er hinaus will oder was er mit seinen Protagonisten will. Doch dass sich die drei Schicksale zusehends aufeinander zu spiralen, gibt dem Film eine ungeheure Spannung. Was denn eigentlich die Moral des Films sein soll, darüber schweigt sich Valdez aus. Umso mehr kann jede und jeder für sich selbst darin sehen, wenn man es nur zulässt. Ich bin Marianna, der Mann im Kinosessel rechts von mir ist vielleicht Elpidio, wer weiss. Alle haben wir unsere Leichen im Keller, unsere Träume und unsere Albträume, nur sind wir meist zu gestresst, uns mit diesen zu befassen. Filme wie La vida es silbar zwingen uns dazu.

Derzeit auch zu sehen ist Beat Porters Dokumentation La vida es filmar, die sich mit der Entstehung dieses Films befasst.

18.05.2021

4

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Kommentare

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bonobeck

vor 21 Jahren

ufffff!!


suria

vor 23 Jahren

selten wird Melancholie so leichtfüssig dargestellt .


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