Lover oder Loser Grossbritannien 1999 – 108min.

Filmkritik

Das Liebeskarussell im Wunderland

Filmkritik: Sandra Walser

Alle tun's mit allen und das recht ausgiebig. David Kanes romantische Komödie zeigt nicht viel Neues - ja, sie bleibt vielmehr an altbackenen Klischees hängen und verheddert sich in einem völlig absehbaren Plot.

Das Wunderland zeigt sich seit Kurzem in einem neuen Kleid: Es ist das graue Paradies des kleinen Arbeiters, London, leidvoller Alltag - ein Land voller Menschen mit zurückhaltendem Optimismus und selbstverschuldeten Enttäuschungen. Der britische Regisseur Michael Winterbottom hat dem strahlenden Wort mit seinem neusten Film dieses unfeine, aber nicht freudlose Gesicht gegeben. In "Wonderland" schlüsselt er das vertrackte Grossstadtleben über ein Gruppenporträt auf. Seine Protagonisten stehen zunächst nicht in Beziehung zueinander. Allmählich manifestiert sich aber die Kraft eines unsichtbaren Netzes, das die Filmfiguren mal auseinandertreibt, mal gefährlich nahe zusammenbringt und am Schluss in eine raffinierte Familiengeschichte setzt.

Dieses feinsinnige und differenzierte Porträt steht David Kanes romantischer Komödie This Year's Love formal in mancher Hinsicht nahe. Wie Winterbottom setzt Kane seinen Film im Wunderland London an und lässt seine Protagonisten mit nicht minderen Problemen durch den Alltag stolpern. Jedoch legt er seine Karten - wenn auch ungewollt - schon bald offen. Das herausragende Schauspielensemble, welches Kane klinisch beobachtet, muss sich mit Stereotypen abkämpfen, der Plot wird stetig uninspirierter.

Der Anfang vom Ende beginnt mit einer Hochzeit. Tattoo-Künstler Danny (Douglas Henshall) und Hannah (Catherine McCormack) sind kaum eine halbe Stunde verheiratet, und schon ist die Hölle los. Ein kleiner Ohrring verrät Hannahs Seitensprung mit dem Brautführer, Danny randaliert wild drauf los, braust überstürzt davon, um die Flitterwochen alleine anzutreten. Stattdessen endet er jedoch mit der Flughafen-Putzfrau Marey (Kathy Burke) im Bett, der er völlig betrunken "Celtic Forever" in den Hintern ritzt. Hannah derweil weint sich an Camerons (Dougray Scott) Schulter aus, den sie in einer Bar trifft. Sein dümmlicher Wohnpartner Liam (Ian Hart) bändelt mit Sophie (Jennifer Ehle) an, einer alleinerziehenden Mutter mit Rastafrisur. Schliesslich treffen sich bald darauf auch Cameron und Marey und Danny und Sophie ... und so weiter und so fort, bis es drei Jahre später zu einem unbefriedigenden Ende kommt.

Wie bei den meisten romantischen Komödien ist der Zufall die Klammer, die alles zusammenhält. Hier jedoch wird es ins Extreme getrieben: Londons Camden Town scheint ausschliesslich von Menschen bevölkert, die mit ihren derzeitigen Bettgeschichten mindestens eine Bekanntschaft und die Postleitzahl teilen. Der eingangs gewonnene Eindruck, es könnte sich bei This Year's Love um unkonventionellen Stoff mit einer Prise Mike Leigh handeln, zerschlägt sich von Paar zu Paar. Und die eingespielten Songs, etwa "Get It On" zu einer heissen Sex-Szene, zeugen auch nicht gerade von viel Fantasie. Das Liebesrad dreht sich schliesslich so lange, bis alle heterosexuellen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dann darf sich Hannah auch in Alice (Emily Woof), die einzige aussenstehende Figur, verlieben. Das Sexuelle jedoch spielt sich in diesem Fall beschämt ausserhalb der Leinwand ab. Die wiederholt gebrochenen Herzen sind Resultat von Pech und verzeihlicher Schwäche, die dazugehörigen Geschichten wahllos und absehbar aneinandergereiht - ein Zwischentief aus dem Wunderland.

10.11.2020

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