Nackt Deutschland 2002 – 100min.

Filmkritik

Uns geht es nicht prima

Filmkritik: Andrea Bleuler

Mit ihrer Beziehungs-Tragikomödie - ein Seelen- und Körperstriptease dreier junger Paare - hat Doris Dörrie die versammelte Filmwelt in Venedig 2002 positiv überrascht. Ihr humorvoll-philosophischer Ansatz hat mit vielerlei Klischees über den deutschen Film aufgeräumt. Trotzdem hängt dem klassischen Dreiakter eine gewisse Schwerfälligkeit an.

Die Situation ist von Beginn weg angespannt, als sich drei befreundete Berliner Paare zu einem samstagabendlichen Diner in der schicken Wohnung der beiden Reichsten treffen. Alles ist komplizierter geworden als einst:

Emilia (Heike Makatsch) und Felix (Benno Fürmann) haben sich kürzlich getrennt. Sie sind in einer provisorischen Lebenssituation und glauben den Anschluss an die erfolgreichen Gewinner des Lebens verloren zu haben. Annette (Alexandra Maria Lara) und Boris (Jürgen Vogel) haben genug Geld und lieben sich noch immer, können aber doch nicht glücklich sein. Charlotte (Nina Hoss) und Dylan (Mehmet Kurtulus) sind zwar verheiratet und stinkreich, verstehen sich aber überhaupt nicht mehr.

Der allgemeinen Unzufriedenheit zu Folge kommen an diesem Abend nur delikate Themen zur Sprache: Glück, Liebe, Wünsche, Selbstbetrug und Lügen. Speck hätte sich auf der Seele angesetzt, meint Charlotte. Als dann Emilia einwirft, dass Männer ihre Frauen mit verbundenen Augen nicht erkennen würden, wollen dann doch alle mutig den grossen Wahrheits- und Liebesbeweis antreten - und man entschliesst sich zu einem Experiment mit Wetteinsatz.

Pärchen-Partys mit ekstatischem Ende sind spätestens seit "Who’s Afraid of Virginia Woolf" mit Liz Taylor und Richard Burton Filmfreunden ein Begriff. Auch in diesem Fall basiert der Film auf einem Theaterstück - Dörries "Happy" . Die Bezeichnung "Drama" wirkt bei "Nackt" doch eher vermessen, denn ein tiefgründiger Humor trimmt die Geschichte doch immer wieder in Richtung Komödie.

In einer literarisierten Umgangsprache, die inhaltlich sehr dicht ist, wird auf äusserst witzige Art und Weise um Lebensphilosophisches zwischen den Polen Gefühle und Geld gefeilscht. Visuell wird das Wort intensive Spektakel mit theatral-statischen, durchkomponierten Bilder in bunten Farben ergänzt. Doch nicht alle Dialoge sind schauspielerisch gleich gut gemeistert: Je nach dem, welches Paar im Fokus des Geschehens steht, wirkt der Text nur aufgesetzt - so in sämtlichen Szenen von Nina Hoss und Mehmet Kurtulus.

Weniger überzeugend ist auch die Dramaturgie des Films. Die mit Abstand stärksten Momente sind am Anfang, in der Vorphase der Einladung, als die drei Paare vorgestellt werden, und darüber sinnieren, wie sich ihre Liebe in den wenigen Jahren, die sie zusammen sind, bereits verändert hat. Der Tiefpunkt hingegen trifft präzise mit dem Höhepunkt des Abends zusammen: Der - theoretisch - süffigste Moment der allgemeinen Nacktheit stürzt jäh ab. Durch den abrupten Dialogstopp kommt auch von sprachlicher Seite keine Rettung - und der abschliessende Akt des Kammerspiels kommt entsprechend schlecht auf Touren.

03.11.2020

3

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Kommentare

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bluetornado

vor 22 Jahren

Bester Deutscher Film seit langer Zeit, seeeehr sexy zudem!


yvyv

vor 22 Jahren

regt zum (Über-)Denken und Diskutieren an


tuvock

vor 22 Jahren

Alle spielen gut und zynisch, doch ist das Thema etwas langweilig, und nach kurzer zeit langweilt man sich schon, wie bei den Täglichen Nachrichten wo es immer nur um Mord und Totschlag geht lauter so unerfreuliche Sachen, wo man nicht mal in Ruhe seine Freundin zum Frühstück vernaschen kann ohne einen ohnmächtigen Gastritisanfall zu bekommen. Von Komik ist hier nichts zu merken, und der Film ist eigentlich nichts wert, wenn man es genau nimmt, eigentlich verschwendetes Geld, und ich frage mich wer solche Filme produziert, und wie viele Idioten sich diesen Film im Kino ansehen. Wäre das Kino nicht so voll gewesen, ein Paarungsritual wäre unumgänglich gewesen. Blöd ist halt nur wenn da die 2 Leute die im Kino sind, uns stören, macht nichts, es gibt ja noch andere Orte dafür. Jedenfalls hat uns nichts vorm Einschlafen aufhalten können, zumindestens nach 89 Minuten war der Film endlich vorbei, glücklicherweise. Die Schauspieler passen gut in die Rolle, so richtig Deutsch, so richtig Talkshow verblödet, so richtig modern, deutsch eben.

Eigentlich ein Film für Gehörlose und Blinde, die können sicher was von dem Film lernen, nämlich nichts.

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