Filmkritik
Das Tier in Dir
Wie ein Junge dem Ruf der Wildnis folgt und in den Bergen Kasachstans langsam zum Mann reift, darum dreht sich alles im neuen, preisgekrönten Streifen von Serik Aprymov.
Gleich die ersten Einstellungen erinnern an die Werbeclip-Ästhetik, die sonst die Kinotrailer der Zigarettenmarke mit dem schwarzen «M» im Logo verströmen: Zeit für ein bisschen Western-Romantik, für Lagerfeuer, Prärie und das alte Cowboy-Motto «ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss».
Der Held dieser Geschichte galoppiert in der Eröffnungs-Sequenz von einem stimmungsvollen Soundtrack untermalt durch ein weites Tal - erst von weit weg gefilmt, dann im Profil und zum Schluss als Close-Up. Schnitt.
Schwenk in ein von der übrigen Welt abgeschnittenes Dorf in den Bergen Kasachstans. Dort leben der 12-jährige Erken und seine bildhübsche, verführerische Mutter. Eines Nachts wird sie von einem Jäger besucht - und der ist an weit mehr als an ihrer Briefmarkensammlung interessiert. Der Junge stiehlt daraufhin wutentbrannt dessen Pferd und dessen Knarre, dann demoliert er einen Laden. Die Polizei ist dem Burschen auf den Fersen, doch der Jäger hat ihn schneller in seinen Fängen. Erken steht vor der Wahl: Ab in den Knast oder ab sofort ein Leben in der Wildnis zu fristen - zusammen mit seinem neuen Mentor. Dort versucht ihm der alte Mann die Sinne zu schärfen und ihm ein neues Verständnis für Natur und Tiere näherzubringen.
Der Jäger in «Okhotnik», wie der Film im Original heisst, ist ein rauer Kerl, der mit der Welt um sich herum eins ist. Er jagt den Wolf nicht nur, er wird zu ihm. Das selbe passiert nach und nach auch mit seinem Schüler. Die Wildnis, in der sich der Junge zurecht finden muss, ist brutal und poetisch zugleich. Gleichförmigkeit steht dort an oberster Stelle, es ändert sich kaum etwas. In der Natur geht um das Erforschen der Urinstinkte und die Rückkehr zur Urtümlichkeit - was ab und zu die Konfrontation mit ungewohnten Bildern zur Folge hat. Oder hat sich sonst schon mal jemand mit Sex auf einem Pferderücken auseinandergesetzt?
Der Erzählstil von «The Hunter» ist eher lakonisch, die Schauspieler wirken immer wieder mal ein bisschen hölzern. Doch die prachtvolle Bildsprache macht vieles wett. Achtung für Leute mit Fernweh - dieser Film könnte beim Gang ins Reisebüro die Wahl ihrer nächsten Feriendestination nachhaltig beeinflussen.
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