Zehn Kanus, 150 Speere und 3 Frauen Australien 2006 – 92min.

Filmkritik

Herzlicher Bruderzwist

Filmkritik: Eduard Ulrich

Was passiert, wenn in einer Sippe australischer Ureinwohner jemand die schönste Frau seines Bruders begehrt? Dasselbe wie bei uns: es gibt gehörig Ärger. Wie geschickt diese Menschen damit umgehen, zeigt das höchst amüsante und dramatische Werk Rolf de Heers, in dem ausschliesslich Ureinwohner mitspielen. Das Konkurrenzproblem ist dabei nur der Vorwand für eine packende Geschichte.

Eine unberührte Landschaft aus der Vogelperspektive, eine Stimme, die uns einen Schöpfungsmythos australischer Eingeborener erzählt; langsam nähert sich die Kamera dem Wasser, in dem die Persönlichkeiten der Menschen warten, bis sie in ihre zukünftige Mutter schlüpfen können. So könnte eine brave Geschichte für das Schulfernsehen anfangen, das uns die bizarre Vorstellungswelt einer vor kurzem untergangenen Kultur vermitteln will. Weit gefehlt! Schon das - man kann es nicht anders nennen - dreckige Lachen, das der Erzähler von Zeit zu Zeit einflechtet, sollte uns stutzig machen.

Und tatsächlich haben wir nach wenigen Minuten die Welt der Mythen hinter uns gelassen und befinden uns mitten im realen Geschehen: ein junger Mann nimmt zum ersten Mal an der traditionellen Entenjagd in den gefährlichen Krokodilsümpfen teil und wird mit einem heiklen zwischenmenschlichen Problem konfrontiert: Seinem deutlich älteren Bruder ist nicht entgangen, dass der Jüngere ein Auge auf die schönste von dessen drei Frauen geworfen hat. Im Clan lebt man dicht aufeinander und kann so ein Problem nicht vor sich her schieben. Andererseits muss es mit Fingerspitzengefühl gelöst werden, und so kommen wir in den Genuss einer Legende, in der es nicht nur um dieses Problem, sondern auch um Ehekrach und -müdigkeit, Entführung, mörderische Selbst- und lebensgefährliche Inter-Clan-Justiz geht.

Sage nun niemand, das ginge uns Menschen im Industriezeitalter nichts an, und wir hätten uns mit völlig anderen Problemen herumzuschlagen! Neben seinem zeitlosen Gehalt und seinen verschmitzt verklickerten Weisheiten zeichnet die Geschichte aber noch etwas anderes aus: Sie zeigt zwar die Rituale der Eingeborenen, kommt aber ohne mystisches Brimborium aus, um das Geschehen zu erklären. Der Kamera gelingt es mit Hilfe einfacher Verfahren - wie beispielsweise dem Wechseln zwischen Schwarzweiss und Farbe entsprechend der Erzählebene und den Sujets, angemessenen Blickwinkeln und Bewegungen - ein harmonisches und zugleich dynamisches Bildgeschehen zu formen. Da die Schauspieler sich sozusagen selbst spielen und voller Freude ans Werk gingen, bekommt man ein jederzeit authentisches und schwungvolles Spiel zu sehen. Dieses Vergnügen sollte man sich nicht entgehen lassen.

23.10.2023

4.5

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film genügend.


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