CH.FILM

Der Gegenwart Schweiz 2014 – 64min.

Filmkritik

Früher Liebestod in Bern

Filmkritik: Eduard Ulrich

Carlo E. Lischetti kann man sich als Kreuzung aus Dällenbach Kari und Signer Roman vorstellen: Hintersinniger Wortwitz und originelle Aktionskunst. Leider wurde er nur 61 Jahre alt und einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Am tragisch zufrühen Tod können die Multifunktionalisten (Regie, Drehbuch, Kamera, Produktion etc.) Bernhard Nick und Stephan Ribi zwar nichts mehr ändern, den Bekannheitsgrad Lischettis werden sie aber hoffentlich erhöhen, auch wenn ihr Werk - im krassen Gegensatz zu ihrem Sujet - merkwürdig bieder anmutet.

Viel Material ist es leider nicht, das Bernhard Nick und Stephan Ribi vom in Brugg geborenen Berner Künstleroriginal Carlo E. Lischetti präsentieren können. Lischetti war zu seinen Lebzeiten nicht so bekannt oder erfolgreich, dass Medien oder Institutionen oft über ihn berichtet hätten oder oft von ihm bedient worden wären.

Das ist bedauerlich, denn Liscetti erinnert mit seinen hintersinnigen Beobachtungen und Sprachspielen an den Dällenbach Kari. Er bleibt aber immer nobel und geht mit seinen skulpturalen und ereignisbasierten Werken weit über seinen geistigen Verwandten hinaus und lässt uns dabei an den Appenzeller Aktions- und Konzeptkünstler Roman Signer denken.

Lischetti verblüfft mit seiner unmittelbaren Beziehung zum Alltag und mit seiner Fähigkeit, Dinge und Verhältnisse tabu- und scheuklappenlos anders zu sehen und prägnant zu benennen. Nick und Ribi realisieren seit 1979 Filme, da waren sie gerade 21 und 20 Jahre alt, aber sie haben sich für das postume Porträt Lischettis eines konventionellen Verfahrens bedient, um die dokumentarische Lücke zu schließen: das Gespräch mit Verwandten und Bekannten Lischettis.

Auch wenn die vielen Erzählungen gut unterhalten, was neben dem schillernden Sujet Lischetti auch Polo Hofer, einem ausgewiesenen Fachmann für gute Unterhaltung, zu verdanken ist, der gleich noch einen Teil der Musik zum Film mitbringt. Zudem treten noch einige wohlbekannte Persönlichkeiten der Schweizer Film- und Kunstszene wie beispielsweise Max Rüdlinger auf.

Das Leben Lischettis hat aber über seinen Unterhaltungswert genügend Fleisch am Knochen, um die fernsehdoktauglichen gut 60 Minuten zu füllen. Lischetti war offensichtlich ein durch und durch seriöser Künstler, für den es keine Trennung zwischen seinem Leben und seinem Künstlertum gab. Dieser existentielle Ernst wurde ihm auf tragische Weise zum Verhängnis, und man darf Nick und Ribi danken, dass sie sich dieses verkannten Gegenwarts angenommen haben, auch wenn das Ergebnis handwerklich nicht vollends überzeugt.

17.02.2024

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