CH.FILM

Mon père, la revolution et moi Schweiz, Türkei 2013 – 80min.

Filmkritik

Kind der Revolution

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Vergangenheitsbewältigung und Sinnsuche: Ufuk Emiroglu reflektiert in Mon père, la révolution et moi ihr Leben als Tochter eines Widerstandskämpfers.

Klein-Ufuks Held war weder ein blonder Tennis- noch ein blauäugiger Schauspieler. Ihr Idol war ihr Vater. Ein Mann der Taten. Kommunist. In den 70er Jahren stemmte er sich in der Türkei mit anderen Widerständlern furchtlos gegen das Regime. 1980 wurde er festgenommen, eingesperrt, mit Elektroschocks fast zu Tode gefoltert. Doch er schwieg sich über seine Verbündeten aus. Der Vater, ein Held.

1984, Ufuk ist vier Jahre alt, siedelte die Familie nach La Chaux-de-Fonds um. In der Schweiz galt es keine Regierung zu stürzen, keine Menschenrechte einzufordern. Ein paar Jahre familiärer Harmonie folgten. Sie endeten jäh, als der Vater der Geldfälscherei überführt wurde. Ufuks Bild des Helden bekam erste Risse, und zerfiel gleich der Familie, als er sich nach seiner Gefängnisentlassung dem Glückspiel und dem Alkohol zuwendete.

Die Geschichte in Hollywood ersonnen? Mitnichten. Die Tochter gibt es, den Vater, die Familie, alles ist wahr. Ein Kind der Revolution ist Ufuk Emiroglu, und wenn in ihrer Erzählung vorerst etwas Romantik durchscheint, dann rührt diese von der augenfunkelnden Verehrung eines kleinen Mädchens zu ihrem Vater her. Eine Verehrung, die der Zuschauer durchaus nachzuvollziehen weiss, obschon rebellische Kommunisten als die Guten sicher nicht jedermanns uneingeschränkte Sympathie geniessen. Ins Bild der kindlichen Betrachtungsweise passen jedenfalls auch die Tricksequenzen, welche an einigen Stellen Erinnerungen und Gedanken illustrieren.

Sind in der ersten Hälfte des Films der Vater und die Revolution die hervorstehenden Titel-Aspekte, erlangt das "moi" in der zweiten immer mehr Gewicht. Wie also nun umgehen mit dem Erbe des Widerstandkampfes, das die Tochter ein Leben lang schon in sich trägt? Ufuk Emiroglus Sinnsuche bringt sie – man ahnt es irgendwann – an einen düsteren Ort.

Dort aber, das darf man sagen, wird der Film nicht enden. Und mutig ist es ohnehin, einen so persönlichen Aufarbeitungsprozess mittels einer Kino-Dokumentation freizulegen. Überzeugung, Entschlossenheit und Hingabe stehen hier Entwurzelung, Vernachlässigung und Enttäuschung gegenüber. Die Achterbahn der Gefühle eines Kindes der Revolution, das mit seinem Vater auch dann nicht bricht, wenn der Held gar allzu menschliche Schwäche zeigt.

15.10.2014

4

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