Workers Deutschland, Mexiko 2013 – 120min.

Filmkritik

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Raphaela Dreyfus
Filmkritik: Raphaela Dreyfus

Rafael kommt aus einem Fabrikgebäude hinaus. Im Hintergrund prangt gross das Logo von Philips mit dem angebrochenen Slogan "Simplicity...". Genau diese Einfachheit ist im Spielfilmerstling des Mexikaners José Luis Valle Programm. Im Zentrum: Zwei einfache Leben in Tijuana, die parallel aneinander vorbeiführen. Werden sie sich am Ende treffen? Ein Film über die einfachen Helden des Alltags.

Rafael putzt bei Philips und bereitet sich akribisch auf seine Pensionierung vor. Ein paar neue Schuhe, eine neue Frisur - der neue Lebensabschnitt will bestens vorbereitet sein. Aber dann kommt alles anders, Pensionierung Fehlanzeige. Das andere Leben, das parallel zu Rafaels verläuft, ist das von Lidia. Sie kümmert sich um eine kranke ältere Dame, deren Hündin Princesa und Haus. Als die Chefin stirbt, erbt Princesa alles, mit samt den Angestellten. Lidias Aufgabe ist es, die Hündin genau so weiter zu hegen und zu pflegen wie bisher. Ist alles gleich geblieben? Nicht ganz. Mit langsamen und kleinen Schritten versuchen die Beiden dem monotonen Alltag zu entfliehen.

José Luis Valle beschäftigt sich schon 2009 in seinem Dokumentarfilm El Milagro del Papa, den er in Locarno präsentierte, mit der mexikanischen Gesellschaft zwischen Tradition und Moderne. Auch in Workers wird uns die mexikanische Gesellschaft näher gebracht. Valles Spielfilmerstling zeigt das Leben zweier Arbeiter, deren ärmeres Leben in Tijuana und die soziale Ungerechtigkeit - all das aber nicht mit dem Zeigefinger, sondern mit wunderbar aussergewöhnlichen Bildern und subtilem Humor. Er führte bei Workers nicht nur Regie, sondern schrieb auch das Drehbuch und produzierte den Film.

Valle treibt die Langsamkeit auf die Spitze, er zelebriert sie regelrecht. Geduld braucht man allerdings, bei diesem Gegenstück zum schnellen Film von heute. Man muss sich auf den trägen Rhythmus einlassen um den Film richtig geniessen zu können. Dann aber ist die Bildsprache überwältigend. Lange Einstellungen werden abgelöst von subtilem, oft auch skurrilen Humor. Rafael betritt ein Bordell und kommt eine Ewigkeit nicht mehr hinaus. Nach gefühlten zehn Minuten sieht man dann endlich, was drin geschieht – Rafael bezahlt fürs Tättowieren anstatt für Sex.

Valle spielt mit Annahmen und Vorurteilen, die er dann gekonnt widerlegt. Auch die Bildsprache wird als humoristisches Element genutzt. Immer wieder sieht man im Hintergrund das Logo von Philips und den angebrochenen Slogan: "Simplicity..." Diese Einfachheit des Alltags zeigt der Film. Und eben diese Einfachheit überzeugt. Ein leiser Film über zwei stille Helden des Alltags.

15.11.2013

4

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