Filmkritik
Die Schrecken des Nazi-Regimes
Volker Schlöndorff spiegelt in den Begegnungen eines jungen Gestapo-Offiziers mit einem katholischen Geistlichen die Schrecken des Nazi-Regimes.
"Wenn Judas nicht gewesen wäre, wäre Jesus nie zum Märtyrer geworden. Der Wille Gottes wäre unerfüllt geblieben und es gäbe heute weder Christen, noch eine christliche Weltkirche...": Mit dem Wörtchen "Wenn" lässt sich mancher Schabernack treiben und (Welt-)Geschichte ist zweifelsohne immer auch eine Frage der Interpretation. In "Der neunte Tag" allerdings kommt die provokative Bibelauslegung aus dem Mund eines feschen, jungen Gestapo-Mannes.
Der sitzt 1942 im annektierten Luxemburg und braucht zur Erklimmung der nächsten Karrierestufe die Schützenhilfe eines Pfaffen: Obige Argumentationskette ist spitze Waffe in einem Duell, das sich der deutsche Untersturmführer Gebhardt und der katholische Abbé Kremer im Laufe von neun Tagen liefern. Letzterer sitzt zum Auftakt von Volker Schlöndorffs Film wegen widerständischer Tätigkeiten seit einiger Zeit schon in Dachau, als er unverhofft Urlaub kriegt. Vordergründig um an der Beerdigung seiner Mutter teilzunehmen, tatsächlich aber, weil Gebhardt sich ausgerechnet hat, dass der Bischof von Luxemburg, der stur jede Kooperation mit den Nazis verweigert, sich durch einen engen Vertrauten wie Kremer vielleicht umstimmen lässt.
Also muss Kremer an jedem Urlaubstag bei Gebhardt vorsprechen. Wird von diesem in die Mangel genommen und steckt immer tiefer im Dilemma: Versucht er den Bischof umstimmen, handelt er gegen seine Überzeugung, kommt aber frei. Setzt er sich ab, werden seine Familie verfolgt und die Insassen des sogenannten Priesterblocks von Dachau erschossen. Verweigert er die Kollaboration, muss er zurück ins KZ. Auf den Aufzeichnungen eines gewissen Pater Jean Bernard beruht "Der neunte Tag"; Abbé Kremer aber ist eine fiktive Figur und wohl auch der Judas-Streit ist eine der Dramatisierung dienende Erfindung: Man kann sich die Begegnung Kremer - Gebhardt problemlos losgelöst von den historischen Umständen als Konfrontation zwischen teuflischem Verführer und unschuldigem Opfer vorstellen.
Dem jungen August Diehl und dem gestandenen Ulrich Matthes hat Schlöndorff den fiebrigen Gestapo-Karrieristen und ratlosen Pater angehängt und die beiden meistern ihre Parts mit Verve. Nun aber spielt "Der neunte Tag" im Zweiten Weltkrieg und so kommt Schlöndorff nicht darum herum zu zeigen, was er sich jung zu inszenieren je verbat: Das KZ. Er tut es unprätentiös, filmt die KZ-Szenen mit bewegter Handkamera, farbentsättigt und aus Kremers Sicht: Ästhetisch-formal Innovatives ist Schlöndorff weder hier, noch im Rest seines Films eingefallen und so ist "Der neunte Tag" unterm Strich trotz hervorragender Schauspielerleistungen bloss ein weiterer, deutscher Vergangenheitsbewältigungsfilm.
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