Argerich: A Daughter's View Schweiz 2012 – 95min.
Filmkritik
Not Without My Mother
Martha Argerich ist eine äußerst erfolgreiche und weltberühmte Pianistin, die in Argentinien aufwuchs, aber schon mit 14 Jahren nach Europa übersiedelte und sich bald nach dem fulminanten Start ihrer steilen Karriere in Genf niederließ. Ihre zweite Tochter porträtiert sie nun audiovisuell und gibt uns dabei einen tiefen Einblick in das ungewöhnliche und abwechslungsreiche Familienleben.
Martha Argerichs künstlerischen und kommerziellen Erfolge sind legendär. Bekannt für ihr musikalisches und menschliches Temperament machten schon bald amüsante Anekdoten von Kapriolen Veranstaltern gegenüber und Beziehungsquerelen die Runde. Sie genießt trotzdem in jeder Hinsicht einen guten Ruf, und ihr Festival in Lugano, Progetto Martha Argerich, versammelt viele ausgezeichnete MusikerInnen wie eine große Familie.
Man kann sich aber schwer vorstellen, wie eine solch phänomenale Musikerin eigene Kinder auf die Welt stellen und diese auch noch erziehen können soll. Dieses Rätsel ist nun gelüftet, denn die zweite von drei Töchtern hat ihre Mutter längere Zeit mit einer Kamera begleitet, Videos aus der eigenen Kindheit, Fotos und Notizen aus der Kindheit ihrer Mutter, Fernsehaufzeichnungen von Gesprächen mit ihrer Mutter und einen Kameramann für weitere Aufnahmen herangezogen und daraus eine ruhige, aber anrührende Dokumentation ihrer eigenen Kindheit und ansatzweise ihrer Lebenssituation zusammengebastelt.
Auch wenn die Mutter im Zentrum steht und den Löwenanteil der Filmzeit bestreitet, bleibt ihre Persönlichkeit erstaunlich vage, äußert sie sich selbst doch meist sehr vorsichtig und auch das nicht oft. Persönlichkeiten, die es gewöhnt sind, im Rampenlicht zu stehen, entwickeln häufig Selbstschutzmechanismen, die automatisch dafür sorgen, dass heikle Themata umschifft und riskante Aussagen unterlassen werden. So ist das Publikum gut beraten, zwischen den Zeilen zu lesen und selbst eins und eins zusammenzuzählen - manchmal sind allerdings ein wenig komplexere Operationen und ein wenig historischer Hintergrund nötig, um die Zusammenhänge richtig deuten zu können.
Filmhandwerklich und dramaturgisch hinterlässt dieses behutsame Porträt leider einen zwiespältigen Eindruck: Alltagsbesinnliche und impressionistische Phasen leuchten nicht recht ein, die Persönlichkeit der Tochter bleibt weitgehend im Hintergrund. Ein wenig Verdichtung und ein bischen mehr Klartext hätten nicht geschadet, ohne das sympathische Konzept zu gefährden, die Mutter nicht zu überhöhen, aber auch nicht an den Pranger zu stellen.
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