Kritik15. Januar 2020 Irina Blum
«1917»: Einer der grossen Kriegsfilme der Filmgeschichte
Man könnte Sam Mendes‘ neuesten Film auf die technische Brillanz herunterbrechen – damit würde man diesem Meisterwerk aber nicht gerecht. Denn so sehr «1917» mit seiner formalen Kühnheit fasziniert, so sehr funktioniert das wie ein One-Shot-Film gedrehte Kriegsdrama auch als emotionale Geschichte, bei der selten ein Moment der Ruhe gegeben ist.
Filmkritik von Peter Osteried
Im April 1917 haben sich die Deutschen einige Kilometer von der Front zurückgezogen. Das sieht ein Kommandant als die Chance, um vorzurücken und den Feind endgültig zu vertreiben. Das Ganze ist jedoch eine Falle, und das Oberkommando ist sich dem bewusst.
Da die Kommunikationslinien zerstört sind, schickt man zwei junge Soldaten (Dean-Charles Chapman, George MacKay) los: Diese müssen gegen die Zeit anrennen, um zu verhindern, dass bei Dämmerung ein mit grosser Wahrscheinlichkeit in einem Massaker endender Angriff befohlen wird. Für einen der beiden jungen Männer steht dabei auch persönlich etwas auf dem Spiel, denn sein Bruder gehört der Truppe an, die angreifen soll.
Mendes wollte in Echtzeit erzählen. Und nicht nur das: Mit seinem Kameramann, dem mehrfach Oscar-prämierten Roger Deakins, entwickelte er eine noch weit kühnere Idee. Der Film sollte in einer einzigen Einstellung erzählt werden.
Natürlich sind unsichtbare Schnitte vorhanden. Man erkennt sie mit einer Ausnahme nicht, sondern ist vielmehr davon begeistert, wie sehr der Film einen in die Geschichte hineinzieht. Denn dadurch, dass die Kamera immer nahe an den beiden Hauptfiguren dran ist und mit ihnen durch die Schützengräben und übers offene Feld läuft, hat man eine fast schon unheimliche Direktheit, die es sonst so nicht gibt.
Der Film entwickelt in gewissen Momenten eine unglaubliche Sogwirkung.
Da die Kamera über Drähte bewegt, aber auch von Kameramännern im Lauf getragen wurde, und die gesamte 360-Grad-Landschaft Teil der Erzählung ist, gibt es so etwas wie eine Ausleuchtung nicht. Die Beleuchtung ist natürlich, und das macht diesen Film nur umso realistischer.
Als einer der beiden Soldaten bei Nacht durch eine verwüstete französische Kleinstadt läuft und von Deutschen beschossen wird, entwickelt der Film eine unglaubliche Sogwirkung. Man fühlt sich ein wenig an Videospiele erinnert, der Film geht aber weit darüber hinaus.
Denn so bemerkenswert er in technischer Hinsicht auch ist, ist es doch auch die Menschlichkeit, die besonders beeindruckt – unter Freunden, unter Fremden, ja, sogar unter Feinden. Die exzellent besetzte Produktion – in kleinen Nebenrollen sind bekannte Gesichter wie Benedict Cumberbatch oder Colin Firth zu sehen – ist zweifelsohne einer der grossen Kriegsfilme der Filmgeschichte und wird sicherlich mit Preisen überhäuft werden.
4.5 von 5 ★
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