Kritik6. Juli 2021 Cineman Redaktion
Amazon-Prime-Kritik «The Tomorrow War»: Hilferuf aus der Zukunft
Rund 200 Millionen Dollar liess sich Amazon angeblich den Kauf des Science-Fiction-Blockbusters «The Tomorrow War» kosten, der ursprünglich in den Kinos landen sollte. Aus filmischer Sicht ist die gigantische Investition auf jeden Fall ein überteuerter Witz.
Filmkritik von Christopher Diekhaus
Dreh- und Angelpunkt des von Zach Dean («24 Hours to Live») geschriebenen und Chris McKay («The Lego Batman Movie») inszenierten Actionreissers ist der gerne als charmanter Durchschnittstyp besetzte Chris Pratt. Auch in «The Tomorrow War» begegnet er uns in der Rolle eines sympathischen Normalos, der allerdings – das betont er schon früh – in seinem Leben gerne etwas Bedeutungsvolles leisten würde. Wie es der Zufall will, wirft eine grosse Aufgabe just in dem Moment ihre ersten Schatten voraus, als der Biologielehrer Dan Forester verkraften muss, dass seine Bewerbung auf ein lukratives Jobangebot abgelehnt wurde.
Die Gestaltung der feindlichen, Whites Spikes genannten Angreifer kann sich sehen lassen
Auf der Weihnachtsparty in seinem Vorstadthaus sitzt der enttäuschte Pauker mit seiner Tochter Muri (Ryan Kiera Armstrong) und zahlreichen Gästen vor dem Fernseher und schaut sich das Treiben bei Fußball-Weltmeisterschaft 2022 an. Urplötzlich tauchen aus einem seltsamen Lichtfeld im Stadion mehrere bewaffnete Soldaten auf, die sich als Menschen der Zukunft zu erkennen geben und die Bevölkerung der Gegenwart eindringlich bitten, sie im Jahr 2051 im Krieg gegen aggressive Aliens zu unterstützen. Andernfalls sei das Ende unserer Spezies besiegelt.
Bereits 2023 wird Dan, der im Irak militärische Erfahrungen gesammelt hat, eingezogen und mithilfe einer speziellen Teleportationstechnik durch die Zeit geschickt. Zusammen mit anderen Zwangsrekruten findet er sich nur wenig später im apokalyptischen Miami wieder, wo er und seine Gefährten die Mitarbeiter einer Forschungseinrichtung vor den Invasoren in Sicherheit bringen sollen. Anweisungen, erteilt dem sich rasch als Anführer des kleinen Haufens aufschwingenden Lehrer eine aus der Zukunft stammende Soldatin (Yvonne Strahovski), die auch wissenschaftlich ausgebildet ist.
Dass die Geschichte auf einer Originalitätsskala klar im unteren Bereich liegt, liesse sich verschmerzen, wenn die Anleihen und Versatzstücke clever verzahnt wären.
Zwei Dinge fallen schon während der Sichtung auf. «The Tomorrow War» schert sich, auch wenn Zeitreiseparadoxien kurz thematisiert werden, wenig um die Logik der Rettungsmission, was natürlich noch kein K.o.-Kriterium sein muss. Immerhin gibt es zahlreiche Science-Fiction-Streifen, die trotz Glaubwürdigkeitsdefiziten bestens unterhalten. Je länger Dan's Einsatz dauert, umso mehr drängt sich der Eindruck auf, dass Zach Dean für sein Drehbuch diverse bekannte und erfolgreiche Filme durch den Fleischwolf gedreht hat. Das Vor- und Zurückspringen in der Zeit erinnert an James Camerons Genreklassiker «Der Terminator» und Terry Gilliams bizarren Virusthriller «12 Monkeys». Die Belagerung der Erde durch mörderische Ausserirdische kennt man unter anderem aus Roland Emmerichs Spektakelfeier «Independence Day» oder John Krasinskis Endzeitschocker «A Quiet Place». Und gegen Ende fühlt man sich auch noch in einer Variation von Ridley Scotts Meisterwerk «Alien» versetzt.
Dass die Geschichte auf einer Originalitätsskala klar im unteren Bereich liegt, liesse sich verschmerzen, wenn die Anleihen und Versatzstücke clever verzahnt wären. «The Tomorrow War» entwickelt sich aber schnell zu einem Stationenparcours im Stile eines Computerspiels. Abgeschmeckt wird das Ganze mit einem familiären Bogen, der unter die Haut gehen könnte. So, wie er aufgezogen wird und wie Chris Pratt die grossen Gefühlsmomente angeht, kommt allerdings nur wenig Ausdruckskraft zustande.
Berührt die Handlung dann doch einmal spannende Aspekte, etwa die psychischen Belastungen der aus der Zukunft in die Gegenwart zurückgekehrten Kämpfer, fegen McKay und Dean darüber in Windeseile hinweg. Zu wichtig sind den Machern das Actionpotenzial ihrer Story und das Bestreben, den Protagonisten in einen strahlend-wehrhaften Helden zu verwandeln. Männer wie ihn braucht die Welt. Männer, die nicht reden, sondern beherzt zupacken – so bekräftigt es der Film noch einmal im Finale in Person von James Forester (unterfordert: J. K. Simmons), dessen Verhältnis zu seinem Sohn Dan anfangs fast nicht existent ist.
Die Gestaltung der feindlichen, Whites Spikes genannten Angreifer kann sich sehen lassen. Einige Gefechte sparen nicht mit Wucht. Besonders eindrückliche Krawallmomente sucht man aber vergeblich. Auch die aus dem Computer stammenden Effekte bewegen sich keineswegs immer auf gehobenem Niveau. Weil sich «The Tomorrow War» selbst in Kernkompetenzen einige Blösse gibt, hält sich der Spass insgesamt in Grenzen.
2 von 5 ★
«The Tomorrow War» ist ab sofort auf Amazon Prime verfügbar.
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