Kritik6. Oktober 2017 Noëlle Tschudi
«Another News Story» - Das Spiel der Medien
Orban Wallace berichtet in seiner Dokumentation über die beschwerliche Reise der Flüchtlinge auf der Route zwischen Griechenland und Österreich und beleuchtet das Schaffen der internationalen, über die Flüchtlingskrise berichtenden Journalisten und deren Ethik.
Die andauernde Flüchtlingskrise und deren Folgen lösen eine Vielzahl von Emotionen aus. Die Einstellungen Unbeteiligter gegenüber dieser Katastrophe sind so unterschiedlich wie der Mensch selbst. Doch woher rührt diese Spaltung der Gesellschaft?
In der Dokumentation liegt der Fokus auf der internationalen Reporterschar aus aller Welt, welche über die durch Unsicherheit und physische Überanstrengung geprägte Reise von Flüchtlingen auf der Fluchtroute zwischen Griechenland und Österreich berichtet. Im Zentrum steht die Frage nach dem Umgang der Journalisten mit dem Flüchtlingsleid, welches für eine Weile zu ihrem täglichen Brot wird, bevor erneut Normalität in ihr eigenes Leben einkehrt und sie sich in kommenden Reportagen erfreulicheren Dingen zuwenden können.
Another News Story führt dem Publikum die Manipulierbarkeit der Medienkonsumenten vor Augen, ermöglicht ihm, einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen der News zu werfen und regt zu kritischem Denken an. Wallaces Bestreben, ein Hauptaugenmerk auf die Medienschaffenden zu legen, glückt, ist allerdings nicht konsequent. Flüchtlinge werden zu Spielfiguren, die Journalisten halten die Fäden in der Hand.
Das von den Reportern Gezeigte entspricht oftmals geschickt eingefädelter Propaganda aus unterschiedlichen Lagern. Passiert ist, was auf Film gebannt wurde, Fotografen reissen sich um das perfekte Bild und persönliche Schicksalsschläge reihen sich aneinander wie Perlen auf einer Kette und geraten schliesslich schnell in Vergessenheit. Die dargelegten Dreharbeiten und Reportagemethoden präsentieren den Zuschauern eine Vorgehensweise, in welcher Menschlichkeit mehr und mehr in den Hintergrund rückt und Opportunismus durch Omnipräsenz, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, glänzt. In erster Linie gilt es, eine sensationelle Story zu liefern - die Abbildung der Wahrheit ist dabei zweitrangig.
Als Journalist - etwas nicht in schwarz und weiss zu setzen - etwas in unterschiedlichen Schattierungen darzustellen - Das ist schwierig.
Wallace zeigt in seiner sehenswerten, augenöffnenden und wachrüttelnden Dokumentation eindrücklich auf, wie während den Filmarbeiten der von ihm begleiteten Filmteams herausgetrennte Ausschnitte der Realität auf Film gebannt und Halbwahrheiten propagiert werden. Übrig bleiben hetzerische Berichterstattungen unterschiedlicher Lager, welche ferner von der Objektivität nicht sein könnten. Die Flüchtlinge werden durch selektive Berichterstattung zu Spielfiguren in einem nicht enden wollenden politischen Spiel.
Von der Idee eines einheitlichen Films über Reporter und deren Ethik weicht Wallace durch die Einbindung verschiedener Einzelschicksale in Another News Story ab. Das Konzept eigener Meinungsbildung sollte dem Publikum nach dieser Dokumentation aber auf jeden Fall wieder präsent sein, denn sie fordert implizit und ganz im Sinne der Aufklärung dazu auf, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und somit das Spiel der Medien zu durchschauen.
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