Artikel1. März 2023 Cineman Redaktion
Die Menschheit am Boden: 7 aufregende postapokalyptische Szenarien
Wie sieht die Welt von Morgen aus? Werden wir das Ruder noch herumreissen? Oder laufen wir geradewegs auf den Untergang zu? Fragen wie diese dürften sich nicht wenige Menschen stellen, da wir in einer Zeit maximaler Krisendichte leben. Nachdem wir uns in den letzten Wochen um drohende Apokalypsen und die Rache der Natur gekümmert haben, wollen wir nun Filme und Serien vorstellen, die eindringliche Bilder einer zerstörten Zivilisation an die Wand malen. Den Begriff «Postapokalypse» fassen wir dabei etwas weiter. Nicht immer muss alles in Schutt und Asche liegen, um eine handfeste Endzeitstimmung zu erzeugen.
Ein Artikel von Christopher Diekhaus
1. «Soylent Green» (1973): Eine der ersten grossen Ökodystopien
Richard Fleischers Adaption des Romans «Make Room! Make Room!» beginnt mit einer bestechend pointierten, bedrückenden Montage von Bildern, die den Niedergang der Zivilisation einfangen. Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, Umweltverschmutzung, Klimawandel und Überbevölkerung haben im Jahr 2022 einen nur schwer erträglichen Zustand hervorgerufen. Der Handlungsort New York ist zu einem aus allen Nähten platzenden Moloch herangewachsen. Menschen stapeln sich in Treppenhäusern. Ein Grossteil der Bevölkerung lebt in Armut, während wenige Reiche in abgeschotteten Luxusquartieren residieren. Strom ist bei den einfachen Leuten denkbar knapp. Produkte wie Fleisch und Brot sind Luxusgüter. Ernährt wird sich vor allem von massenhaft gefertigten Nahrungsmitteln, die angeblich aus Algen gewonnen werden.
Inmitten dieses dystopischen Szenarios muss der hemdsärmelige Polizist Robert Thorn (Charlton Heston) einen Mordfall aufklären und stösst dabei auf eine erschütternde Verschwörung. Bemerkenswert ist «Soylent Green» nicht nur wegen seines nihilistischen Endtwists. Erstaunlich ist aus heutiger Perspektive auch, wie hellsichtig der Science-Fiction-Film Probleme unserer Gegenwart in seine nicht allzu komplexe Kriminalgeschichte einbettet. Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass wir wirklich Angst um unsere Stromversorgung haben müssten? Mit den Augen von heute wirkt der Anblick von Thorns Mitbewohner Sol Roth (Edward G. Robinson in seiner letzten Rolle) beim Strampeln auf einem Fahrrad für etwas mehr Licht gar nicht mehr so abwegig.
Verfügbar on Demand auf AppleTV
2. «Children of Men» (2006): Keine Kinder, kein Fortbestand!
In «Children of Men» mag die Gesellschaft noch nicht in Gänze zusammengebrochen sein. Strukturen existieren weiterhin. Und doch zeichnet der Film ein denkbar pessimistisches Bild für unsere Spezies. Der dystopische Thriller spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der schon seit geraumer Zeit keine Kinder mehr zur Welt kamen. Als die junge Kee (Clare-Hope Ashitey) tatsächlich schwanger wird, avanciert sie zum Spielball unterschiedlicher Interessensgruppen. Der desillusionierte britische Regierungsbeamte Theo Faron (Clive Owen) ergreift mir ihr die Flucht und versucht, sie vor den Attacken ihrer Gegner zu beschützen.
Alfonso Cuaróns Romanadaption überzeugt auf gleich mehreren Ebenen: Die Hauptfiguren sind gut ausgearbeitet. Die Darsteller werfen sich mit Verve in ihre Rollen. Der Plot ist mit gesellschaftlichen und politischen Aspekten – etwa brutalen Unterdrückungsmethoden und Hass auf Migranten – aufgeladen. Spannungsmomente sind auf den Punkt inszeniert. Und immer wieder werden wir über lange, ungeschnittene Einstellungen regelrecht in das Geschehen hineingesogen. Zu einem starken Vertreter düsterer Zukunftsvisionen schwingt sich der Film auch wegen seines Themas, einer ungeklärten flächendeckenden Unfruchtbarkeit, auf. Von einer Welt, wie sie «Children of Men» skizziert, sind wir zwar noch ein gutes Stück entfernt. Die Realität zeigt uns aber, dass die Spermienqualität von Männern in Industriestaaten seit Jahrzehnten abnimmt. Völlig aus der Luft gegriffen ist die Handlungsbasis also nicht.
Verfügbar on Demand auf AppleTV
3. «Zombieland» (2009): Endzeit als spassig-verrückte Sause
In unserer Auflistung darf eine Komödie nicht fehlen. «Zombieland» ist der beste Beweis, dass in der Postapokalypse nicht alles bierernst sein muss. Dem Untergang der Zivilisation kann man sehr wohl auch mit einer ordentlichen Portion Humor begegnen. Woody Harrelson, Jesse Eisenberg, Emma Stone und Abigail Breslin sind hier als Überlebende einer Menschen in Zombies verwandelnden Virusepidemie zu sehen, die sich zu einer schlagkräftigen, durch die verheerten USA streifenden Gemeinschaft zusammenraufen.
Ruben Fleischers Endzeitspass verfolgt keine höheren Ansprüche, unterhält aber mit griffigen, betont gegensätzlich gezeichneten Figuren, Tempo, einigen herrlich schrägen Einfällen und schwungvollen Schauspielleistungen. Für sich reklamieren können die Macher zudem, dass ihr Film zu einer Zeit entstand, da Zombies noch nicht den Markt überschwemmten. Bei seiner Veröffentlichung im Jahr 2009 hatte der Streifen durchaus etwas Erfrischendes an sich.
Verfügbar auf Netflix
4. «Snowpiercer» (2013): Der ewige Kreis im Eis
Die Comicadaption von Oscar-Preisträger Bong Joon-ho (ausgezeichnet für seine famose Sozialsatire «Parasite») hat eine ebenso einfache wie packende Prämisse: Um die globale Erwärmung zu stoppen, wurde in der oberen Erdatmosphäre ein Kältemitteln versprüht, das unseren Planeten entgegen den Plänen in eine tödliche Eiswüste verwandelt hat. Die wenigen Überlebenden der Katastrophe drehen in einem nie stillstehenden Zug fortan ihre Runden durch die schneeweisse Landschaft. Wie schon einige Male zuvor kocht die angespannte Stimmung in den hinteren Waggons, in denen die Arbeitssklaven hausen, zu Beginn über. Angeführt von Curtis Everett (Chris Evans) proben die Entrechteten den Aufstand und wollen sich nach vorne zum Motor des Gefährts durchschlagen.
Das Szenario, das «Snowpiercer» entwirft, mag nicht sehr realistisch sein. Als Mischung aus klaustrophobischem Thriller, stark choreografiertem Actionparcours und knackig-explosivem Klassenkampf macht der visuell ideenreiche Film allerdings einiges her – und ist der seit 2020 laufenden gleichnamigen Serie deutlich überlegen.
Verfügbar auf Filmingo
5. «I Am Mother» (2019): Hightech-Kammerspiel mit humanoidem Roboter
Ganz grosse Fragen lassen sich auch im kleinen Rahmen spannend aufbereiten. Wer daran zweifelt, sollte unbedingt den Science-Fiction-Thriller «I Am Mother» schauen, mit dem Grant Sputore ein beachtliches Kinodebüt vorlegte. Die Handlung: Nach der Auslöschung der Menschheit durch einen Krieg übernimmt ein humanoider Roboter in einem abgeriegelten Hightech-Labor die Wiederbesiedlung und zieht ein Mädchen (Clara Rugaard) gross, das die Aussenwelt für unbewohnbar hält. Als eine verletzte Frau (Hilary Swank) an die Tür der Einrichtung klopft, beginnt die junge Protagonistin, die Mahnungen und Anweisungen des mütterlichen Maschinenwesens kritisch zu sehen.
Formal kompetent umgesetzt und mit einem aufregenden Bunkersetting aufwartend, bringt der Film eine spannende Diskussion über das Wesen des Menschseins und unser Verhältnis zur Technik in Gang. Wenngleich nicht alle dramaturgischen Entscheidungen sitzen, nimmt einen das Kammerspiel gefangen, auch dank seiner eindringlich agierenden Darstellerinnen.
Verfügbar auf Netflix
6. «Vesper Chronicles» (2022): Postapokalypse als haptisches Erlebnis
Zukunftsszenarien brauchen gewaltige Budgets, um uns richtig zu fesseln. Dass diese Vorstellung ein Irrglaube ist, demonstriert die mit eher bescheidenen Mitteln ausgestattete belgisch-französisch-litauische Koproduktion «Vesper Chronicles» eindrucksvoll. Erzählt wird in Kristina Buozytes und Bruno Sampers märchenhaft angehauchtem Science-Fiction-Abenteuer von einem aufgeweckten, resilienten Mädchen (Raffiella Chapman), das nach einer menschengemachten ökologischen Katastrophe inmitten einer unwirtlichen Landschaft um Hoffnung kämpft.
Stark sind neben einer facettenreichen Performance in der Hauptrolle vor allem das wunderbar haptische, nur punktuell mit digitalen Hilfsmitteln aufgepimpte Szenenbild und das reizvolle Worldbuilding, das der Film betreibt. Die dargestellte Zweiklassengesellschaft zeichnet sich durch viele spannende Details aus, die der Geschichte eine über die reine Unterhaltung hinausreichende Kraft verleihen. Ebenfalls erwähnenswert: Eddie Marsan als bedrohlich-unberechenbarer Antagonist und eine wuchtige, emotional berührende Schlusseinstellung. Dass im Labor gezüchtete Viren und Organismen, wie in «Vesper Chronicles» beschrieben, für einen Zusammenbruch des Ökosystems sorgen, klingt, nebenbei bemerkt, gar nicht mal so weit hergeholt. Der Mensch ist – leider muss man in diesem Fall sagen – zu vielem fähig!
Verfügbar auf Sky
7. «The Last of Us» (2023): Packend-bewegende Videospielverfilmung
Hoch waren die Erwartungen, und zum Glück wurden sie nicht enttäuscht! Nach vielen wenig gelungenen Videospieladaptionen trat die postapokalyptische Serie «The Last of Us» den Beweis an, dass Geschichten, die auf der Konsole oder dem PC funktionieren, auch als filmische Umsetzung nachhaltigen Eindruck hinterlassen können. Ausgangspunkt der Handlung ist ein aggressiver, Menschen zu willenlosen Bestien verwandelnder Pilz, der sich rasend schnell über den Erdball ausbreitet. Gemeinsam mit dem Schmuggler Joel Miller (Pedro Pascal), der in den Wirren der Katastrophe seine Tochter verloren hat, und der Teenagerin Ellie Williams (Bella Ramsey), die gegen die Infektion immun ist, begeben wir uns auf eine Reise durch kaputte US-Landschaften. Anders als wir es aus vielen dystopischen Erzählungen, vor allem aus dem Bereich des Zombie-Horrors, kennen, nimmt sich die Gameadaption auffallend viel Zeit für die Figuren und ihre Gefühlswelten.
Nervenaufreibende, deftige Schockmomente gibt es durchaus, und die Endzeit wird bildgewaltig in Szene gesetzt. Immer wieder kommt es aber auch zu ausgedehnten Ruhephasen, die uns hochemotionale, dabei nie sentimentale Einblicke in den postapokalyptischen Alltag eröffnen. Tief unter die Haut geht vor allem eine in der dritten Folge prägnant verdichtete Romanze, die fast aus dem Nichts entsteht. Auch wenn es eine Serie ist, kann man hier nur sagen: Ganz grosses Kino! Interessant zu wissen: Den Zombie-Pilz aus «The Last of Us» gibt es wirklich. In der Realität befällt er allerdings nur eine spezielle Ameisenart. Um auf den Menschen überzugreifen, müsste er zahlreiche evolutionäre Schritte durchlaufen – was höchst unwahrscheinlich ist.
Verfügbar auf Sky
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