Kritik8. Dezember 2020

«El robo del siglo» Filmkritik: Schlauer als die Polizei erlaubt

«El robo del siglo» Filmkritik: Schlauer als die Polizei erlaubt
© Trigon-Film

Eine Bande um den argentinischen Kopf Fernando und Mario, seinem Kumpan aus Uruguay, raubte 2006 die Banco Rio in Buenos Aires aus – quasi vor den Augen der Öffentlichkeit. Die smarten Gauner erbeuteten Millionen und entkamen vorerst. Ein Gaunerstück ganz ohne Blutvergiessen.

Filmkritik von Rolf Breiner

Eine Räuberpistole, wie sie nur das Leben oder eben Gangster schreiben können. Lebenskünstler und grosse Marihuana-Geniesser Fernando Araujo (Diego Peretti) hatte die Idee für einen perfekten Bankraub – die ihm natürlich beim Kiffen kam. Sein Objekt der Begierde: die Banco del Rio in Buenos Aires. Man müsste einen sogenannten Express-Raubüberfall arrangieren, quasi als Ablenkungsmanöver, ist sein Plan, um gleichzeitig durch einen Tunnel zum Kern des Geschäftes vorzustossen, zum Tresorraum mit den Schliessfächern nämlich.

Eine Zwei-Wege-Strategie: eine Show für draussen, heisst Öffentlichkeit, und der wahre Coup unbemerkt drinnen. Um das zu verwirklichen, braucht Fernando "Fachleute", den Einbruchsexperten Luis Mario Vitette (Guillermo Francella) aus Uruguay beispielsweise. Vier andere Typen kommen hinzu: ein Fahrer, ein Ingenieur, ein Rechtsanwalt und ein Wachmann. Fernando, Kopf und Motor des Unternehmens, bereitet seine Kumpanen akribisch auf die grosse Tat vor – mit Skizzen, Plänen, Besichtigungen, Proben, Verhaltensmuster.

Der Initiator des Bankcoups, Fernando Araujo, schrieb selber am Drehbuch mit.– Cineman-Kritiker Rolf Breiner

© Trigon-Film

Am 13. Januar 2006 geschieht es. Die Gangster stürmen die Bank, halten Angestellte wie Kunden im Schach. Argentinien und die Medien (Radio, Fernsehen) sind live dabei, als ein Polizei-Grossaufgebot das Bankgebäude umstellt und Chefunterhändler Miguel Sileo (Luis Luque) mit Fernando Details aushandelt oder eben nicht, vertröstet und besänftigt wird. Die Räuber zeigen sich freundlich und grosszügig, feiern den Geburtstag einer alten Dame und lassen auch ein, zwei Geiseln frei. Die Hinhaltetaktik funktioniert (inklusive Pizza-Bestellung), derweil die Bande auf Schlauchbooten in den Abwasserkanälen entkommt. Die Beute soll zwischen 8 und 25 Millionen US-Dollar betragen haben. So genau weiss man es nicht, weil doch die Inhalte in den Schliessfächern geheim waren...

Die Geschichte dieses Bankraubes, spannend rekonstruiert, hat etwas Menschliches, Tröstliches.– Cineman-Kritiker Rolf Breiner

Geschnappt werden die Diebe trotzdem – verraten durch eine Frau, die eifersüchtig auf die Geliebte ihres Mannes war. Die Geschichte nach dem Raub und die Entwicklung der Protagonisten wären einen anderen Film wert. Nicht nur die Bilddokumente der Täter im Abspann verleihen dem Spielfilm eine Aura von Authentizität, der Initiator des Bankcoups, Fernando Araujo, schrieb selber am Drehbuch mit. Zurzeit arbeitet er an einem Buch über Marihuana.

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Der Argentinier Ariel Winograd hat den dankbaren Stoff vergnüglich als Gaunerkomödie inszeniert und fand in Diego Peretti («Iniciales S.G.») als Fernando und Guillermo Francella («El secreto de sus ojos») als Mario kongeniale Darsteller. Selten waren Gauner so sympathisch. Man gönnt ihnen quasi jeden Dollar, jedes Goldstück. Die Geschichte dieses Bankraubes (ohne Schusswechsel – die Räuber benutzten nur Attrappen), spannend rekonstruiert, hat etwas Menschliches, Tröstliches. Bert Brechts perfides Wort "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" bekommt hier besonderen Sinn. Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt!

5 von 5 ★

«El robo del siglo» ist ab dem 10. Dezember 2020 im Kino zu sehen.

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