Artikel14. Dezember 2022

Filmtagebuch: Das Ende des Schweigens: 6 Filme, die mit Machtmissbrauch Schluss machen

Filmtagebuch: Das Ende des Schweigens: 6 Filme, die mit Machtmissbrauch Schluss machen
© Universal Pictures Switzerland

Während Harvey Weinstein derzeit in Los Angeles zum zweiten Mal wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung vor Gericht steht, läuft im Kino «She Said», ein Film über zwei Journalistinnen, deren Berichterstattung den ehemaligen Miramax Boss in die Knie gezwungen und damit die Grundlage für die #metoo Bewegung geschaffen hat. Filme, die Korruption und Machtmissbrauch enthüllen, haben in Hollywood Tradition. Wir stellen euch 6 solcher Filme vor, die beweisen, dass es für die Wahrung der Menschenrechte und der Demokratie keine bessere Waffe gibt als die freie Presse.

«She Said»

Darum geht’s? Etwas mehr als zwei Stunden lang folgt der Zuschauer den Spuren von Megan Twohey und Jodi Kantor in einem journalistischen Thriller. Über zehn Monate lang hatten sich die beiden Frauen damit beschäftigt, genügend Belastungsmaterial gegen Weinstein zu sammeln, um einen Artikel zusammenzustellen. Der Alltag einer Journalistin verläuft nicht unbedingt rasant: Viele Szenen zeigen, wie die beiden Frauen versuchen, zwischen Familie und Beruf zu jonglieren, erreichbar sind und von ständigen Anrufen gestört werden. Je mehr Hindernisse sich auftürmen, desto fesselnder wird die Untersuchung dennoch.

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6 Filme, die beweisen, dass es für die Wahrung der Menschenrechte und der Demokratie keine bessere Waffe gibt als die freie Presse

Ein Artikel von Gabriela Tscharner Patao

1. «Bombshell»

Darum geht’s? Eine Gruppe von Fernseh-Journalistinnen lehnt sich gegen den guten alten Männerclub auf, der bei der TV-Station FOX NEWS herrscht. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten und zeigt auf, was sich ereignete, als die TV-Moderatorin Gretchen Carlson, gespielt von Nicole Kidman, ihren Boss Roger Ailes (John Lithgow) wegen sexueller Belästigung anklagte. Das veranlasste Kolleginnen wie Megyn Kelly (Charlize Theron), die mit der Frauenfeindlichkeit des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump als Moderatorin einer Debatte Bekanntschaft gemacht hat, ihre Erlebnisse im Büro des Chefredaktors ebenfalls an die Öffentlichkeit zu bringen.

Sehenswert, weil: «Bombshell» ist «She Said» im Quadrat. Es ist nicht nur ein Film, der Journalistinnen zeigt, die einen Misstand aufdecken, sie decken den Misstand gleich im eigenen Hause auf. Im Gegensatz zu «She Said» geht Regisseur Jay Roach mit dem schwerwiegenden Thema mit einer gewissen Leichtigkeit um, die dem Film Schwung und Spannung verleiht. Dafür mussten gewisse Fakten denn auch der Dramaturgie weichen. Margot Robbie z.B. spielt eine fiktive Person namens Kayla, eine Fusion mehrer Fox-Mitarbeiterinnen, die Ailes Avancen erleiden mussten. Wie in «She Said» erwähnt wird, war der Coup bei FOX News einer der Auslöser, dass Journalisten nicht mehr nur in der Politik, sondern auch in anderen Branchen Nährböden für sexuellen Missbrauch aufstöberten.

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2. «Die Unbestechlichen»

Darum geht’s? Vor den Präsidentschaftswahlen 1972 soll der Washington Post Reporter Bob Woodward (Robert Redford) einen Einbruch im Hauptquartier der Demokratischen Partei covern. Zusammen mit seinem Kollegen Carl Bernstein (Dustin Hoffman) stellt er jedoch bald fest, dass belastende Unterlagen bis ins höchste Amt Amerikas führen und decken damit den wohl grössten politischen Skandal des Jahrhunderts, die Watergate Affäre, auf, die Präsident Nixon zur Niederlegung seines Amtes zwang.

Sehenswert, weil: Wie «She Said» zeigt der Film Enthüllungsjournalismus, wie er von seriösen Medien praktiziert wird. Jede Tatsache, die gedruckt werden soll, muss vorab von zwei unabhängigen Quellen bestätigt werden. Im Internetzeitalter der Blogger und Instagram Influencer wird das gerne vergessen. Wie «She Said» leidet dieser vierfache Oscar-Gewinner von Regisseur Alan Pakula etwas daran, dass die Journalistenarbeit weniger spannendes Abenteuer, sondern eher minutiöse, langwierige Recherche am Telefon ist, was visuell wenig hergibt. Die spannendsten Momente von «All The President’s Men» kommen in Form von einer Quelle, Deep Throat genannt, die sich mit den beiden Reportern tief in der Nacht in düsteren Tiefgaragen trifft.

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3. «Spotlight»

Darum geht’s? Die wahre Geschichte der Lokalredaktion des Boston Globes, die einen massiven Skandal von sexuellem Missbrauch an Kindern durch das örtliche Erzbistum aufdeckt und den darauf folgenden Cover-Up der katholischen Kirche am eigenen Leib zu spüren bekommt. Chefredaktor Walter Robinson (Michael Keaton) und drei lokale Reporter, Michael Rezendes (Mark Ruffalo), Sacha Pfeiffer (Rachel McAdams) und Matty Carroll (Brian d´Arcy James) bilden das Spotlight Team. Sie haben alle selber eine Beziehung zur katholischen Kirche. Wenn der neue Chefredaktor Marty Baron (Liev Schreiber) die Geschichte der sexuellen Übergriffe von Priestern vorschlägt, stösst er zunächst auf Widerstand in den eigenen Rängen.

Sehenswert, weil: «Spotlight» ist einer der besten Filme über die Arbeit von Journalisten, der auf wahren Begebenheiten basiert. Der Film hat nicht nur den Oscar als Bester Film gewonnen, er wurde sogar vom Vatikan gelobt. «Spotlight» ist in seinem Kern jedoch ein hoffnungsvoller Film, der glaubt, dass die Wahrheit ans Licht kommt, wenn wir nur entschlossen genug danach suchen.

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4. «The Assistant»

Darum geht’s? Nicht über die Medienarbeit von Journalisten dreht sich «The Assistant», der Film erinnert jedoch insofern an «She Said», weil er die Dynamik von sexuellem Missbrauch am Arbeitsplatz und das Machtgefälle zwischen Chef und Angestellten aufzeigt. Jane (Julia Garner) hat einen Einstiegsjob als Assistentin eines Industriemoguls, dessen Methoden denen von Harvey Weinstein ähneln. Aber schon bald realisiert sie, dass sie nicht die einzige ist, die sich die zunächst subtilen Misshandlungen gefallen lassen muss.

Sehenswert, weil: «Es ist ein sehr subtiler Film über ein lautes Thema», beschreibt Kitty Green, die Autorin und Regisseurin von «The Assistant», ihren Film. Wie in «She Said» ist der eigentliche Missbraucher nie wirklich zu sehen. Einerseits weil solche Bösewichte schon genug Publicity kriegen, und andererseits, weil wir alle wissen, was hinter geschlossenen Türen vor sich geht. Green zeigt auch auf die schweigenden Beobachter dieser Missetaten, wie die Arbeiterbienen im Vorzimmer, mit ihrem Finger. Dieser Film prangert das ganze System an, das einen Täter wie Harvey Weinstein erst möglich macht.

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5. «Promising Young Woman»

Darum geht’s? «Promising Young Woman» wurde als die ultimative Rachephantasie aller Frauen beschrieben. Diese schwarze Komödie dreht sich um Cassie (Carey Mulligan), eine junge Frau die nachts Bars und Clubs besucht, dort vorgibt, betrunken zu sein, um zu sehen, ob ein Mann aus ihrem verletzbaren Zustand einen Vorteil ziehen und sie nötigen will, nur um ihn als Sexualtäter blosszustellen. Für Cassie ist dieses Spiel aber mehr als eine Rachefantasie, sie will damit den Selbstmord ihrer besten Freundin rächen.

Sehenswert, weil: «Promising Young Woman» ist der Regie-Erstling von Emerald Fennell, die in der TV-Serie «The Crown» eine junge Camilla Parker Bowls spielte. Der Film, für dessen Drehbuch sie einen Oscar gewonnen hat, ersetzt die beiden Journalistinnen aus «She Said» mit einer zutiefst verletzten Frau, die ihre männlichen Peiniger nicht nur entlarvt, sondern sie auch zu einem gewissen Grad selber kreiert. Ein unerwarteter Handlungsbogen am Ende des Films scheint Cassies These zu bestätigen, dass alle Männer in ihrem tiefsten Innern Schweine sind.

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6. «TÁR»

Darum geht’s? In einer Umkehr der traditionellen Machtverhältnisse ist Lydia Tár (Cate Blanchett), eine berühmte Dirigentin eines renommierten Symphonieorchesters, die Figur in einer Machtposition, die diese oft, sorglos und gerne ausnutzt. Als sie von einer ehemaligen Assistentin des sexuellen Missbrauchs angeklagt wird, fällt Lydias Glaspalast im Klima der Cancel Kultur spektakulär in sich zusammen.

Sehenswert, weil: «Tár» ist ein Film, dessen Sexualstraftäter eine Frau ist. Sie ist eine der wenigen Frauen, die es in der notorisch patriarchalischen Welt der klassischen Musik ganz nach oben geschafft hat. Aber, sie nutzt diese Stellung nicht, um andere Frauen zu fördern. Sie ist eine Egoistin in einer Position der Macht, die die Kameraden ihrer 8-jährigen Tochter mobbt, die ihre Schüler, die sich eine ihre eigene Meinung über Johann Sebastian Bach gebildet haben, niedermacht und die Frauen, die von ihr beschäftigt werden, sexuell nötigt. Dass der Film «Tár» existiert, ist vielleicht die ultimative Gleichstellung der Geschlechter.

Kinostart CH-D: 23.02.2023, Kinostart CH-F: 25.01.2023

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