Kritik9. November 2018 Irina Blum
«Genesis 2.0»: Eine thrillermässig-spannende Schweizer Doku
Christian Frei spürt auf den Fersen von Mammutjägern und Genforschern dem Code des irdischen Lebens nach. Sein Film ist bildlich zeitweise überwältigend spektakulär, mutet zwischendurch zugleich aber beängstigend irrwitzig an und regt aufrüttelnd zum Nachdenken an.
Filmkritik von Irene Genhart
Man bezeichnet sie irreführend als „Mammutjäger“. Denn die paar Unentwegten, die sommers jeweils in winzigen Booten auf die Neusibirischen Inseln übersetzen, jagen da selbstverständlich keine Mammuts, sondern sammeln: elfenbeinerne Mammutzähne. Salopp formuliert könnte man sagen, dass sie als Profiteure der Klimaerwärmung mit aus dem auftauenden Permafrost gebuddelten „weissen Gold“ zu schnellem Geld zu gelangen hoffen.
De facto ist ihr Job knochenhart. Körperlich anstrengend, seelisch zerrend. Nicht nur, weil man während Wochen abgeschnitten von den Angehörigen unter primitivsten Bedingungen (über)lebt, sondern auch weil der Erfolg nicht garantiert ist: Diese mit sensationellen Landschaftsaufnahmen auftrumpfenden Mammutjäger-Geschichten vom Russen Maxim Arbugaev bilden den einen Strang von «Genesis 2.0».
Der andere Strang stammt vom Schweizer Christian Frei. Frei hat verschiedentlich schon Filme vorgestellt, die der Menschen Verhältnis zu ihrem Heimatplaneten und ihr Treiben darauf beleuchten: «The Giant Buddhas» (2005) über die (Zerstörung der) Buddha-Statuen von Bamiyan etwa und «Space Tourists» (2009) um die ersten Weltraumtouristen. In «Genesis 2.0» sind nun die Zukunftsforscher an der Reihe, wobei die von Frei beigesteuerten Teile des Films im direkten Kontrapunkt zu den archaisch anmutenden Mammutjäger-Storys stehen: Gespräche mit dem Zukunftsguru George Church, Aufnahmen aus modernsten Labors in Asien und den USA, in denen Klonforscher und Gentechniker, nachdem sie vor einer Weile das Geheimnis der DNA knackten, sich als Schöpfer versuchen.
«Genesis 2.0» entwickelt einen doppelbödigen Sog, der ab einem gewissen Punkt alarmierend beunruhigend wirkt.
Die Rolle des Bindeglieds übernimmt ein nahezu unversehrt aus dem Eis geholtes Wollhaarmammut, das den Leiter des Mammutmuseums von Irkutsk ebenso lebhaft von dessen „Auferstehung“ träumen lässt, wie den bisher auf die Reproduktion von Hunden spezialisierten Klonforscher in Südkorea, der beim Gedanke an ein Klon-Mammut leuchtende Augen bekommt. «Genesis 2.0» trumpft auf mit zum Teil bombastischer Musik und ist phasenweise inhaltlich erschlagend dicht. Doch er ist zugleich thrillermässig-spannend und entwickelt einen doppelbödigen Sog, der spätestens dann, wenn unverblümt davon gesprochen wird, das „Werk Gottes zu perfektionieren“, alarmierend beunruhigend wirkt
«Genesis 2.0» läuft ab sofort im Kino.
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