Interview24. Oktober 2018 Irina Blum
Jamie Lee Curtis zu «Halloween»: "Ich bin kein Fan von Horrorfilmen!"
Sie sei das erste Mal in Deutschland – sie reise nicht viel, sagt Jamie Lee Curtis zu Beginn des Interviews in Hamburg, das sie anlässlich der Fortsetzung von «Halloween» gibt, 40 Jahre nach ihrer Hauptrolle in John Carpenters Kultfilm. Im Gespräch zeigt sich die Schauspielerin dann überraschend offen und erklärt die Faszination an Michael Myers, wieso Horrorfilme oft zu B-Movies degradiert werden – und weshalb sie selbst kein Fan des Genres ist.
Hier sind wir nun, rund 20 Jahre später mit einem weiteren «Halloween».
Ja ich weiss, es ist verrückt, nicht?
Waren Sie von Anfang an überzeugt, noch einmal dabei zu sein?
Ich war wohl die Letzte, die dachte, dass ich nochmals einen «Halloween»-Film machen würde. Als ich mit meinem Mann in den Ferien war, bekam ich einen Anruf von Jake Gyllenhaal, meinem Patensohn und Freund. Er hatte gerade «Stronger» abgedreht mit David Gordon Green. David wolle nun mit mir über einen neuen «Halloween»- Teil sprechen. Daraufhin schickte er mir das Drehbuch, und ich sagte ja.
Wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren zurückzukehren?
Sie [Laurie Strode, Anm. d. Red.] ist ein anderer Mensch als in den letzten Filmen. Traumata können einen Menschen stark beeinflussen, das war das Interessante daran, das Generationstrauma. Wir alle – jeder, den ich schon getroffen habe – hat irgendeine Art von Trauma. Und natürlich gibt es in der Geschichte grosse Traumata, die nicht drinbleiben, sondern sich nach aussen kehren – ein Generationentrauma, das jedes Familienmitglied betrifft. Ich fand das eine sehr clevere Art, darüber zu sprechen, indem das Trauma zum Generationenproblem gemacht wurde.
Michael Myers ist eine einzigartig furchteinflössende Erfindung.
Inzwischen gab es viele weitere Filme im Franchise, die meisten jedoch ohne Sie. Wie kommt es, dass es so lange gedauert hat, bis Sie wieder als Laurie Strode vor der Kamera standen?
Ich verdanke «Halloween» meine gesamte Karriere. Man muss sich aber im Klaren sein, dass ich «Halloween 2» nur gemacht habe, weil er inhaltlich direkt an den Schluss des ersten Films anschliesst. Natürlich musste das Publikum meine Figur wieder zu sehen bekommen, es wäre schrecklich gewesen, das abzulehnen – es musste derselbe Schrank, dasselbe Mädchen sein. «H20 Halloween» war dann meine Idee: Ich bin auf John und Debra [John Carpenter & Debra Hill, Anmerkung der Redaktion] zugegangen und meinte, dass wir nach 20 Jahren einen weiteren Film machen müssten. Wegen dem Ende von «Halloween» war ich dann wiederum gezwungen, in der Fortsetzung dabei zu sein: Weil ich nicht wollte, dass die Zuschauer glauben, dass Laurie einen unschuldigen Menschen töten konnte und damit kein Problem hatte.
Ich habe wohl mehr Halloween-Verkleidungen gemacht als jede andere Person, die ich kenne.
Feiern Sie Halloween trotz diesen Filmen noch?
Klar, auch den Kindern zuliebe. Ich habe wohl mehr Halloween-Verkleidungen gemacht als jede andere Person, die ich kenne. Ich kann nähen, und mein Sohn will immer ganz düstere Kostüme. Er ist ein Gamer, also will er Verkleidungen von komischen Charakteren aus Videospielen. VIVI von «Final Fantasy» zum Beispiel.
Welche Ironie, dass meine Mutter in «Psycho» spielte und ich in «Halloween», wir aber beide keine Gruselfilme mögen.
Was hat das Franchise über die Jahre so kultig gemacht?
Das ist eine schwierige Frage, weil ich es selbst nicht wirklich verstehe. Ich glaube, wenn man es auf den Punkt bringen müsste, dann ist es die Figur Michael Myers, die Erfindung von John Carpenter und Debrah Hill, eine einzigartig furchteinflössende Konvention. Ein Rezept von einem unmenschlichen, rätselhaften Menschen, ohne Ausdruck oder Gefühle – obwohl er kein Roboter ist. Und er tötet völlig wahllos, man kann ihn nicht stoppen. Er ist leise und langsam. Das macht Angst, das hat etwas Entsetzliches an sich.
Ich weiss nicht, was John und Debra in ihren Köpfen hatten, um diese Figur zu kreieren. Und diese Ironie: Es ist eine William Shatner Maske – sie haben gedacht, dass die Figur eine Silikonmaske tragen würde, und das einzige, was sie damals in einem Kostümshop im Jahr 1978 bekommen konnten, war eine «Star Trek» Maske, die sie weiss anmalten und dessen Haare sie entfernten.
«Halloween» ist letzten Endes ein klassischer Horrorfilm. Wieso funktioniert das noch?
Keine Ahnung! Es ist aber auch nicht meine Aufgabe, das zu wissen. Ich wurde angestellt, um Laurie Strode zu spielen. Ich bin nicht dafür angestellt, das Genre zu verstehen. Ich mag das Genre nicht, ich bin kein Fan von Horrorfilmen. Welche Ironie, dass meine Mutter in «Psycho» spielte und ich in «Halloween», wir aber beide keine Gruselfilme mögen.
Was zieht Sie dann ins Kino?
Ich mag eine gute Komödie.
Von denen haben Sie einige gemacht.
Genau. Und mein Mann [Christopher Guest, Anm. d. Red.] macht zum Beispiel super lustige Komödien, ich mag es, zu lachen. Ich liebe ein gutes Drama. «Call Me By Your Name» zum Beispiel. Ich bin mir sicher, dass ich «A Star is Born» lieben werde. Der erste und zweite Teil von «Der Pate», zwei der besten Filme, die je gemacht wurden. Menschliche Familiendramen finde ich fantastisch.
Als junge Person fühlt es sich nicht gut an, immer als B-Schauspielerin bezeichnet zu werden.
Gibt es privat eine Sache, die Sie beängstigt?
Lügner machen mir Angst. Leute, die vorgeben etwas zu sein, was sie nicht sind. Leute, die sagen, es sei Orangensaft, obwohl es Wasser ist. Und du widersprichst, aber sie denken, wenn sie dir nur lange genug sagen, es sei Orangensaft, dann glaubst du es irgendwann – das ist in meinem Land so. Das macht mir extrem Angst. Wenn wir die Macht darüber verlieren, was wir sagen und Wörter bedeutungslos werden, ist die Zivilisation am Ende, es herrscht Anarchie. Du kannst nichts und niemandem mehr glauben, wenn Wörter bedeutungslos sind. Es macht mir Angst, dass es zurzeit einige Leute auf der Welt gibt, die etwas sagen, aber etwas völlig anderes meinen.
Sie haben einmal gesagt, Sie fühlten sich aufgrund des Erfolgs von «Halloween» illegitim. Hat sich das nun, 40 Jahre später, geändert?
Ja, Sie sollten dieses Interview mit dem Titel «Too legit to quit» versehen (lacht). Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass Horrorfilme immer als B-Movies bezeichnet werden. Als ich aufgewachsen bin, waren sie das. Sie waren nicht A-Movies. Wenn man zu einem Golden-Globe-Dinner geht, wird schnell von A-Listers gesprochen. Es gibt eine Rangfolge, aber ich mache diese Einteilung nicht. Wie wird man A-Lister? Seit dem Beginn meiner Karriere war ich immer in B-Movies zu sehen.
Diese Filme werden ausrangiert, obwohl man 110 Leute hat, die diese Filme mit genau so viel Aufwand machen wie zum Beispiel ein «On Golden Pond». Ich weiss nicht, wieso mir gerade dieser Film in den Sinn kommt, ich sah letztens ein Foto von Jane Fonda. Wissen Sie, was ich meine? Die Person, die zuständig für die Requisite ist, arbeitet genauso hart für «Halloween» wie für «On Golden Pond», aber unsere Filme bekommen nicht viel Respekt. Das habe ich gemeint damit, dass ich mich illegitim fühle. Als junge Person fühlt es sich nicht gut an, immer als B-Schauspielerin bezeichnet zu werden.
«Halloween» ist ab dem 25. Oktober im Kino zu sehen.
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