Kritik3. Februar 2024

Netflix-Kritik: «Orion und das Dunkel»: Die Dunkelheit umarmen

Netflix-Kritik: «Orion und das Dunkel»: Die Dunkelheit umarmen
© Netflix | DreamWorks Animation 2023

Endlich die Angst überwinden und anfangen zu leben! Diese Botschaft vermittelt der Netflix-Animationsfilm «Orion und das Dunkel», der neben seiner lebensbejahenden Einstellung auch mit knuffigen Charakteren und einem Drehbuch von Charlie Kaufman punkten kann.

Der kleine Orion ist ein Angsthase, einfach alles macht ihn nervös und in seinem Kopf spielen sich ununterbrochen Weltuntergangsszenarien ab. In einem Notizbuch hält er alle seine Ängste fest, auch die schlimmste von allen: die Angst vor der Dunkelheit. Eines Nachts schreit er wieder einmal in wilder Panik, als sich eine dunkle Gestalt aus einer Zimmerecke schiebt. Das Dunkel hat das Geschrei satt und nimmt den verstörten Jungen mit auf eine Reise, die ihn endgültig von seinen Ängsten befreien soll.

Orion hat Angst vor Handystrahlung in «Orion und das Dunkel» © Netflix | DreamWorks Animation 2023

«Orion und das Dunkel» basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Emma Yarlett und übernimmt daraus die grandiose Grundidee, dass die Dunkelheit ein Wesen ist, das ständig um die Welt reist und die Lichter löscht. Für den Animationsfilm übernahm der Regisseur und Drehbuchautor Charlie Kaufman, der für schräges Filmgut wie «Adaptation» oder «Being John Malkovich» verantwortlich ist, die Arbeit am Drehbuch. Er verpasst dem Dunkel einen komplexeren Charakter, der mit der Angst vieler Menschen ihm gegenüber zu kämpfen hat. Das knabbert am Selbstwert!

Die Charaktere und ihre skurrilen Eigenheiten sind die grosse Stärke des Films. Der ständig verängstigte Orion ist zwar eine unsägliche Nervensäge, aber eine, die uns allen wohl allzu bekannt vorkommt – denn aufgeblasene Ängste und der ein oder andere Absturz in die Schwarzmalerei sind nur allzu menschlich. Neben dem Dunkel, das sich einfach ein bisschen Wertschätzung und Beachtung wünscht (auch das eine verständliche Sehnsucht), sind auch die anderen Wesen der Nacht wie Schlaf, Schlaflosigkeit, Stille, Unerklärliche Geräusche und Süsse Träume faszinierende Figuren, die in ihren besten Momenten an die Wesen aus «Alles steht Kopf» erinnern.

Die Wesen der Nacht in «Orion und das Dunkel» © Netflix | DreamWorks Animation 2023

Kaufmans Einfluss auf die Geschichte ist dabei nicht zu übersehen – immer wieder schlägt die Handlung teilweise irritierende Haken und auch eine gute, alte Metaebene konnte sich der Meister des Seltsamen nicht verkneifen. Einige Witze und Anspielungen wie zum Beispiel der Lehrfilm über das Dunkel, der von Werner Herzog gesprochen wird, zielen auf das erwachsene Publikum ab, aber auch für den kindlichen Humor wird mit jeder Menge Slapstick und witzigen Ideen rund um die Nacht gesorgt. Insgesamt wirkt die Handlung allerdings etwas zerfasert und lässt «Orion und das Dunkel» trotz der kurzen Laufzeit länger ziellos dahindümpeln.

Dass trotzdem nur wenig Langeweile aufkommt, liegt nicht nur an den interessanten Charakteren, sondern auch an dem ungewohnten Stil der Figuren, die sich angenehm von dem glatten, mittlerweile recht uninteressanten Aussehen von Disney & Co. abhebt. Ein besonders sehenswertes Gimmick sind die Zeichnungen von Orion, die dem Film nicht nur eine kindliche Perspektive, sondern auch jede Menge Leben einhauchen. Die Kritzeleien sind witzig und etwas Besonderes – vor allem, wenn sie zum Leben erwachen.

3 von 5 ★

«Orion und das Dunkel» ist seit dem 2. Februar auf Netflix verfügbar.

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