Kritik14. November 2019

Netflix-Kritik «Wo die Erde bebt»: Alicia Vikander in einem atmosphärischen Psychothriller nach Bestsellervorlage

Netflix-Kritik «Wo die Erde bebt»: Alicia Vikander in einem atmosphärischen Psychothriller nach Bestsellervorlage
© Netflix

Basierend auf einem gefeierten Roman, angeschoben von Ridley Scotts Produktionsfirma, inszeniert von «Still Allice»-Regisseur Wash Westmoreland und in der Hauptrolle besetzt mit Oscar-Preisträgerin Alicia Vikander: Der neue Netflix-Thriller «Wo die Erde bebt» lässt auf anspruchsvolle Spannungsunterhaltung hoffen.

Kritik von Christopher Diekhaus

Tokio, Ende der 1980er Jahre: Die Schwedin Lucy Fly (Alicia Vikander) hat sich in der japanischen Metropole niedergelassen und will sich bestmöglich integrieren. Die fremde Sprache beherrscht die junge Frau gut genug, um in einer Übersetzungsagentur zu arbeiten. Unheil braut sich zusammen, als die aus den USA stammende Auswanderin Lily Bridges (Riley Keough) spurlos verschwindet.

Lucy, die der Vermissten auf Bitten eines Bekannten bei der Eingewöhnung helfen sollte, hat sie angeblich als Letzte lebend gesehen und wird daher von den ermittelnden Polizeibeamten zu einem Verhör einbestellt. In Form von Rückblenden erzählt der Film im weiteren Verlauf von Lucys unkonventioneller Liebesbeziehung zum charismatischen Hobby-Fotografen Teiji (Naoki Kobayashi) und den Störungen, die Lilys Präsenz irgendwann mit sich bringt.

Alicia Vikander beweist einmal mehr, dass sie ihr Handwerk bestens beherrscht.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

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«Wo die Erde bebt», adaptiert nach dem gleichnamigen Roman der Britin Susanna Jones, kreiert von den ersten Minuten an eine mysteriöse Aura. Die Musikuntermalung scheint auf eine noch nicht greifbare Bedrohung hinzudeuten. Schicksalhafte Begebenheiten lassen Böses erahnen. Und kleine, in Häppchen ausgestreute Anspielungen legen die Vermutung nahe, dass Lucy vor ihrer Vergangenheit geflohen ist. Was sie im Detail erlebt hat, bleibt zunächst im Dunkeln. Schritt für Schritt erhärtet sich allerdings der Verdacht, es mit einem stark verunsicherten, seelisch angeschlagenen Menschen zu tun zu haben.

Die Enthüllungen auf der Zielgerade werden sicherlich nicht jedem schmecken.– Cineman-Kritiker Christopher Diekhaus

Lucys Wahrnehmung, das betont Westmoreland in seiner Inszenierung immer stärker, ist nicht rückhaltlos zu trauen. Die unzuverlässige Erzählweise sorgt für einige reizvolle Irritationen, während Alicia Vikander einmal mehr demonstriert, dass sie ihr Handwerk bestens beherrscht. Das vom Regisseur verfasste Drehbuch kommt zwar in der Figurenzeichnung etwas fahrig daher und legt einige Hintergrundinformationen allzu plump offen. Der Schauspielerin gelingt es aber dennoch, ihre Rolle mit interessanten Ambivalenzen aufzuladen und so die Neugier des Zuschauers zu befeuern.

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Die seltsame Beziehung zwischen Lucy und Teiji erzeugt spannende Reibungsmomente. An manchen Stellen hätte Westmoreland die behauptete Anziehung jedoch noch stärker herausarbeiten müssen, um spätere Emotionsausbrüche glaubhafter vorzubereiten. Unterentwickelt fühlen sich am Ende auch die Krimielemente an. Die Enthüllungen auf der Zielgerade wirken leicht nebulös und werden sicherlich nicht jedem schmecken.

Obwohl die vielversprechenden Einzelteile kein rundum stimmiges Ganzes ergeben, hat „Wo die Erde bebt“ eine Chance verdient. Vikanders Performance ist angemessen enigmatisch, die Stimmung in einigen Passagen ziemlich beunruhigend und die Darstellung der fernöstlichen Umgebung differenzierter, als man es aus englischsprachigen Produktionen kennt. Mehrfach lotet der Film kulturelle Eigenheiten aus. Und wiederholt parliert die schwedische Hauptdarstellerin auf Japanisch.

3.5 von 5 ★

«Wo die Erde bebt» ist ab dem 15. November auf Netflix verfügbar.

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