Artikel3. Oktober 2021 Cineman Redaktion
Rückblick: Das war das ZFF 2021
Die goldenen Augen sind vergeben. Nach elf Tagen, an denen sich Zürich als mondäne Filmstadt gegeben hat, prominente Gäste wie die Schauspielerin Sharon Stone, die Regisseure Paul Schrader und Paolo Sorrentino, die alle mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet wurden, willkommen hiess, kam auch die 17. Ausgabe des Zürich Film Festival zu einem Ende.
Teresa Vena
Das Kino feiern
Vom 23. September bis 4. Oktober hingen in der ganzen Stadt Fahnen mit goldenen Augen, das Wahrzeichen des Zurich Film Festivals. Genau wie im letzten Jahr proklamierte die Festivalleitung unerschrocken, trotz Pandemie, Filme gehörten ins Kino und machte daher keine Kompromisse, wie das in den letzten Monaten fast alle kleineren und grösseren Festivals weltweit getan haben, sich darum zu kümmern, das Programm parallel online verfügbar zu machen.
Das Publikum ging mit dem Konzept mit. Am vollsten waren die Veranstaltungen und Vorstellungen, bei denen Gäste erwartet wurden oder wenn es sich um grössere Produktionen mit bekannteren Namen handelte. Einige solcher Höhepunkte waren die verschiedenen Begegnungen mit Sharon Stone oder Paolo Sorrentino, aber auch Filme wie «Und morgen seid ihr tot» von Michael Steiner, mit dem das Festival seine Eröffnung feierte, oder etwa die Vorpremiere des neuen James Bond-Films «No Time to Die», die in Zürich zeitgleich mit der Weltpremiere des langerwarteten Actionfilms mit Daniel Craig als 007 in London stattfand.
Eines führte die ausgelassene Stimmung vor Augen, Kino ist nämlich auch Gemeinschaftserlebnis. Film übernimmt eine sozialisierende Aufgabe, verbindet Menschen und steht in diesem Sinne entgegen der Entwicklung, dass man ihn vermehrt vereinzelt auf dem eigenen Bildschirm zu Hause konsumiert.
Die Qual der Wahl
Auswählen konnte das Publikum aus insgesamt 138 Filmen und acht Serien. Darunter waren fiktionale Werke genauso wie Dokumentationen, Komödien, Dramen, Spannungsfilme und Animationen vertreten. In einer eigenen Sektion (ZFF Kids) wurde selbst an die jungen Zuschauer gedacht. Das Programm bot die Gelegenheit, Titel, die in den vergangenen Monaten auf anderen Festivals wie Sundance, Berlinale, Cannes, Venedig und Toronto präsentiert wurden, zu sehen.
Dabei hat das ZFF eine ansprechende Auswahl zusammengestellt, die besonders wertvoll war, weil selbst wenn einige der Filme irgendwann in die Schweizer Kinos kommen werden, die Mehrheit davon es in der Regel aus verschiedenen Gründen nicht schafft. Dies ist, beispielsweise, für eine der Perlen aus dem Programm wie dem Gesellschaftsdrama mit feinem Humor «Aloners» aus Südkorea zu vermuten. Regisseurin Hong Sung-Eun porträtiert darin eine junge Frau, die sich in einer anonymisierten Gesellschaft mit ihrer eigenen Einsamkeit abgefunden hat, bis sie auf die richtigen Menschen trifft, die ihr zeigen, dass es auch anders gehen kann.
Ein Fenster zur Welt
Nicht nur in den drei offiziellen Wettbewerben, sondern in allen, insgesamt elf Programmuntereinheiten, war es möglich, sich mit Filmen anderer Kulturkreise zu beschäftigen. Jetzt, wo das physische Reisen immer noch beschwerlicher ist als sonst, war es ein Leichtes, das eigene Fernweh zu befriedigen. Man erfuhr Näheres über die Stellung der Frau im Iran («Ballad of a White Cow» von Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam), genauso wie über das Schicksal junger Mädchen und Frauen in Syrien in den Fängen des IS («Sabaya» von Hogir Hirori) oder auch wie das Leben eines gefallenen US-amerikanischen Pornosternchens («Red Rocket» von Sean Baker) und wie der Betrieb in einem englischen Restaurant («Boiling Point» von Philip Barantini) aussehen kann.
Besonderes Augenmerk legte das Festival dieses Jahr auf Tunesien. Etwa zeitgleich mit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings 2011 hat sich eine mutige Filmemachergeneration herausgebildet, die sich mit Dramen und Satiren souverän und künstlerisch anspruchsvoll mit den sozialen Realitäten des Landes auseinandersetzt. Als erfolgreiches Symbol dieser Entwicklung gilt aktuell die Regisseurin Kaouther Ben Hania, deren Gesellschaftssatire «The Man Who Sold His Skin» als tunesischer Beitrag bei den Oscars vertreten war und in Kürze offiziell in den Kinos anlaufen wird.
In einem weiteren kleinen Fokus konnte man beim ZFF, eine Auswahl an Filmen aus Hong Kong sehen, die genauso wie die gezeigten Filme aus Tunesien, sonst nur schwer zugänglich sind. Zu den Höhepunkten des Programms gehörten der rasante Actionfilm «Raging Fire» des jüngst verstorbenen Benny Chan, bei dem Name Programm ist, da man als Zuschauer zwei Stunden lang einem, von schwarzem Humor gespickten Konzert eines Orchesters aus Schiesswaffen beiwohnt. Etwas weniger hitzig, aber auch durchaus ähnlich energisch ging es auch in «Time» von Ricky Ko zu, in dem sich ein Trio von pensionierten Auftragsmördern in den Dienst selbstmordwilligen Senioren stellt.
Auch Zeitreisen konnte man unternehmen, wenn man sich von Paolo Sorrentinos neuem Werk «E stata la mano di Dio» ins Neapel der 1970er-Jahre entführen liess, sich auf die Spuren des Katzenmalers Louis Wain («The Electrical Life of Louis Wain» von Will Sharpe) ins viktorianische London begab oder mit Ridley Scott in «The Last Duel» bis ins 14. Jahrhundert zurückging.
Und die Gewinner sind...
Wie bereits erwähnt bildeten das Herzstück des Festivals drei Wettbewerbe. Jeweils eine Jury aus verschiedenen Experten der Filmbranche kürte daraus einen Gewinner.
Beim Fokus Wettbewerb, der sich auf Filme aus der Schweiz, Deutschland und Österreich konzentriert, ging «La Mif» des Westschweizers Fred Baillif als Sieger des Goldenen Auges hervor. Die Jury, präsidiert vom deutschen Regisseur Sönke Wortmann, war von der Authentizität des Sozialdramas um eine Gruppe von Mädchen in einem Jugendheim beeindruckt. «La Mif» erhielt darüber hinaus auch den Filmpreis der Zürcher Kirchen. Das Goldene Auge ist mit 25'000 CHF und der Filmpreis der Zürcher Kirchen mit 10'000 CHF dotiert.
Das Goldene Auge im Spielfilm-Wettbewerb, mit 25'000 CHF dotiert, verlieh Jurypräsident Daniel Brühl, flankiert von seinen Kollegen Stéphanie Chuat (Co-Regisseurin von «Schwesterlein»), Dieter Kosslick (ehemaliger Direktor der Berlinale) und Andrea Cornwell (Filmproduzentin) an «A Chiara» von Jonas Carpignano. Der italienisch-US-amerikanische Regisseur hat damit bereits den dritten Film gemacht, der sich mit der italienischen Mafia befasst und dazu einen eigenen, ungewohnten Zugang nutzt.
Die Jury war sich einig, dass es sich dabei um «ein cineastisches Meisterwerk» handle. Mit besonderen Erwähnungen bedachte sie zudem die beiden Dramen «Jockey» von Clint Bentley aus den USA und «Ballad of a White Cow» von Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam aus dem Iran.
Das dritte Goldene Auge des Jahres, ebenfalls mit eine Preisgeld von 25'000 CHF verbunden, erhielt der Dokumentarfilm «Life of Ivanna» von Renato Borrayo Serrano, der das Leben einer fünffachen, alleinerziehenden Mutter und Rentierzüchterin aus der antarktischen Tundra beschreibt.
Auffällig ist beim Betrachten der Preisträger, dass zwar mehrheitlich Werke männlicher Regisseure prämiert wurden, aber dafür umso mehr Geschichten überzeugen konnten, in denen Frauen und weibliche Protagonisten im Vordergrund stehen. Auch machte der Schweizer Film an sich eine ziemlich gute Figur. Neben «La Mif» der sich zwei wichtige Preise sichern konnte, gewann die Gesellschaftssatire und der Erstlingsfilm von Dennis Stormer «Youth Topia» den Publikumspreis und der Finanzthriller «Azor» von Andreas Fontana, ebenfalls ein Debüt, konnte die Kritikerjury von sich überzeugen, die den Emerging Swiss Talent Award vergab.
Tragts euch in den Kalender ein: Die Daten für die nächste Ausgabe des ZFF sind bereits bekannt. Vom 22. September bis 2. Oktober 2022 wird das Festival erneut Stars und Sternchen, aber vor allem Filme aus aller Welt nach Zürich holen.
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