Kritik20. April 2022 Cineman Redaktion
Sky-Show-Kritik «The Gilded Age»: Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Der Autor von «Downton Abbey» widmet sich in seinem neuen Projekt dem New York des späten 19. Jahrhunderts und liefert ein opulentes Drama über die obersten 2% der damaligen Gesellschaft, das ein Schmaus für die Augen und gelegentlich auch den Geist bietet.
Filmkritik von Gaby Tscharner Patao
New York im Jahre 1882. Die Insel Manhattan wird von ein paar wenigen Reichen wie den Astors oder Fish Familie regiert, die versuchen, Neureiche wie Bertha und George Russel (Carrie Coon und Morgan Spector) daran zu hindern, die soziale Leiter zu erklimmen. Agnes van Rhijn (Christine Baranski) und ihre Schwester Ada Brook (Cynthia Nixon) gehören, dank Agnes verstorbenem Ehemann, zu New Yorks etablierten High Society. Als ihr Bruder, der das ganze Familienvermögen geerbt und es verspielt hat, stirbt, hinterlässt er seine erwachsene Tochter Marian (Louisa Jacobson) mittellos und Agnes und Aida bieten ihr, mehr oder weniger widerwillig, Obdach an. Marian freundet sich auf der Reise zu ihren Tanten mit Peggy Scott (Denée Benton) an, die aus einer wohlhaben schwarzen Familie in Brooklyn stammt, ihren Weg aber allein als Journalistin machen möchte. Als die neureichen Russels gleich gegenüber der Van Rhijns einziehen, sieht die New Yorker High Society ihren Status gefährdet.
Es gibt kein grösseres Vergnügen, als die Reichen ihre Privilegien verlieren zu sehen.
Julian Fellowes hat mit «Downton Abbey» einen TV-Klassiker geschaffen, der zunächst in sieben Ländern ausgestrahlt wurde, bevor die Serie 2011 zur meist-verkauften DVD-Box wurde. Und 2021 machte die Aufschaltung auf Streaming Kanäle wie Netflix und Amazon Prime die Crawley Familie und ihre Bediensteten weltweiten zu einem Hit. Diesen Erfolg will er nun mit der amerikanischen Version wiederholen. Er nennt die Serie «The Gilded Age», das vergoldete Zeitalter, ein Begriff, den Mark Twain mit seinem gleichnamigen Roman geprägt hat und mit dem in den USA die Zeitspanne nach dem amerikanischen Bürgerkrieg zwischen 1870 und 1900 bezeichnet wird. Es ist nicht das goldene, sondern das vergoldete Zeitalter, wo der Exzess regierte und Schein und nicht Substanz die Hauptrolle spielte. Das gilt auch für die neueste Fellowes Serie. Trotzdem ist «The Gilded Age» äusserst sehenswert.
Es gibt kein grösseres Vergnügen, als die Reichen ihre Privilegien verlieren zu sehen. «The Gilded Age» spielt zu einer Zeit der Wende in den USA, als der alte Geldadel von Neureichen abgelöst wurde. Fellowes hat für seine Serie ausführliche Recherche betrieben und viele seiner Nebendarsteller basieren auf historischen Figuren wie Caroline Astor (Donna Murphy), die einer adligen Familie und den ersten holländischen Siedlern in den USA entstammte und die im New York des späten 18. Jahrhundert den oberen 400 Leuten vorstand, die ihr Vermögen geerbt und nicht verdient haben. Zu ihnen gehörte auch Mamie Fish, eine bekannte Gesellschaftslöwin und Ehefrau von Stuyvesant Fish, der mit dem Bau von Eisenbahnlinien in den amerikanischen Westen ein Vermögen machte.
«The Gilded Age» folgt einem ähnlichen Strickmuster wie «Downton Abbey». Wir beobachten sowohl die Leben der Herrschaft als auch die der Bediensteten, die sich in der Küche der Van Rhijns und der Russels abrackern. Während «Downton Abbey» jedoch in erster Linie einer Familie folgte, spielen in «The Gilded Age» auch die Familien der Astors, der Fanes und vor allem der Scotts eine wichtige Rolle. Die Serie fokussiert sich auf derart viele Figuren, dass die meisten Charaktere nur oberflächlich gestreift und kaum herausgearbeitet werden. Vor allem die Bediensteten kriegen wenig Sendezeit, was dazu führt, dass sich die Serie zu sehr auf den Glanz und Glitter der Zeit konzentriert und kaum Kritik an all dem Exzess und der Diskrepanz zwischen Wohlstand und Armut übt.
«The Gilded Age» lebt von seinen überschwänglichen Sets und köstlichen Kostümen.
Andererseits eröffnet Fellowes ausführliche Recherche einige interessante Fakten. Wenig bekannt ist, dass sich wohlhabende schwarze Familien nach Ende des Bürgerkriegs in Brooklyn ansiedelten. Einer der spannendsten Blickwinkel der Serie ist der von Peggy und wie sie sich in dieser noch immer zwischen Schwarz und Weiss getrennten Welt bewegt, die ihr nicht nur als Farbige, sondern auch als berufstätige Frau die meisten Möglichkeiten verschliesst. Denée Benton ist grossartig als rebellische junge Frau, die sich nicht nur gegen die Konventionen der Weissen, sondern auch gegen die Engstirnigkeit ihrer eigenen Familie auflehnt. Ihre Freundschaft mit Marian Brooks, die von der talentierten Tochter von Meryl Streep gespielt wird, gehört zu den besten Handlungssträngen der Serie. Aber Christine Baranski als unverbesserliche Matriarchin des alten Geldadels kriegt kaum etwas zu tun, ausser dass sie gelegentlich eine schnippische Bemerkung fallen lässt. Als sie z.B. von ihrem Sohn Oscar (Blake Ritson) als unverbesserlich abgetan wird, erwidert sie: «Ich sehe das als höchstes Kompliment.»
«The Gilded Age» lebt von seinen überschwänglichen Sets und köstlichen Kostümen. Ein Mangel an interessanten Handlungssträngen wird kaum wahrgenommen, weil man nicht über das Staunen hinauskommt und sich ständig fragt, sind das wahrhaftige Bauten, Kulissen oder CGI Effekte? Als die Nachbarinnen Agnes und Bertha am Ende der ersten Staffel endlich ihre erste Konfrontation haben, bleibt die Story über eine Neureiche, die den alten Geldadel entthronen will, trotzdem etwas unbefriedigend. Fellowes verpasst es, die Geldgier dieser Gesellschaft zu kommentieren und verschwendet vor allem Marians Szenen darauf, sie einem Mann nachlaufen zu lassen. Louisa Jacobson mit ihrem hochkarätigen Stammbaum verdient mehr. Unter dem Strich ist «The Gilded Age» aber eine aufwändig produzierte, historische Soap Opera und als solche macht sie viel Spass.
3.5 von 5 ★
Die erste Staffel von «The Gilded Age» läuft ab 22. April auf Sky Show.
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