Kritik8. Oktober 2024

ZFF 2024: «Riefenstahl»: Konstruktion der Unschuld

ZFF 2024: «Riefenstahl»: Konstruktion der Unschuld
© ZFF

Leni Riefenstahl ist eine der bekanntesten deutschen Regisseurinnen – nicht nur aufgrund ihrer ästhetisch anspruchsvollen Filme, sondern auch aufgrund derer propagandistischen Inhalte und ihrer Nähe zum Nazi-Regime. Wie sie sich nach Kriegsende gegen diese Verbindung wehrte und ihre eigene Biografie und Image ihr ganzes Leben lang anzupassen versuchte, erzählt nun Andres Veiels Dokumentarfilm «Riefenstahl».

«Riefenstahl»: Konstruktion der Unschuld

Andres Veiel | 115 min.

Schon viel wurde geschrieben und gedreht über die Regisseurin Leni Riefenstahl, die, von Hitler und Goebbels beauftragt, einige der wichtigsten Propagandafilme des Nazi-Regimes drehte. Auch heute stehen ihre Filme für subtile Propaganda, die sich unter dem Deckmantel der Ästhetik versteckt. Regisseur Andres Veiel zeichnet mithilfe umfangreicher Materialien aus ihrem Nachlass das Bild einer widersprüchlichen Künstlerin, die zeitlebens um ihr Image und ihre Vergangenheit rang.

2002 traf die deutsche Journalistin Sandra Maischberger die 100-jährige Leni Riefenstahl zum Interview – und verliess das Gespräch mit gemischten Gefühlen. Sie war unsicher, ob Riefenstahl die Wahrheit gesagt oder gelogen hatte, ihre Fragen waren an der Regisseurin abgeperlt. Maischberger liess diese Begegnung nicht los, sodass sie 2016 ihren Nachlass sichtete, um einen Dokumentarfilm zu produzieren.

2018 kam der Regisseur Andres Veiel an Bord, gemeinsam mit einem ganzen Team sichtete er den aus 7000 Kisten bestehenden Nachlass, der Fotos, Filme, Tonaufnahmen, Briefe und andere Dokumente enthält. In einem insgesamt 6 Jahre andauernden Prozess und mithilfe von 3 Cuttern erstellte der Regisseur, der mit Filmen wie «Die Spielwütigen» oder «Beuys» Bekanntheit erlangte, «Riefenstahl».

Die umfangreiche Recherche in den Archiven von Zeitungen und TV-Sendern sowie im Nachlass der Regisseurin haben sich gelohnt – die ausgewählten Szenen sind spannend und sehenswert. Besonders einige nie veröffentlichte Szenen aus der Dokumentation «Die Macht der Bilder» aus dem Jahr 1993 und einige Fernsehinterviews zeigen Riefenstahls Kontrollsucht über ihre Darstellung. Immer wieder wehrt sie sich vehement gegen Anschuldigungen, Propaganda für die Nazis gemacht und von den Gräueltaten gewusst zu haben – allein die Andeutung des Themas führt in den Ausschnitten zu heftigen Wutausbrüchen.

Dem gegenüber stellt Veiel private Briefe, Tagebucheinträge und vor allem Telefonate, die sie mit ihren Unterstützer:innen oder alten Freunden wie Albert Speer führt. Schnell wird das komplexe Netz von Lügen, Widersprüchen und Falschaussagen der Regisseurin deutlich, mit dem sie bis an ihr Lebensende ihr öffentliches Bild zu kitten versuchte.

Insgesamt ist «Riefenstahl» ein beeindruckender Film, der deutliche Brücken in die Gegenwart und aktuelle politische Entwicklungen wie Fake News, dem Erstarken der Rechten und dem Diffamieren der Presse schlägt. Die offene Form, die starke Sprunghaftigkeit sowie einige Längen nehmen dem Film allerdings etwas die Spannung, oft wird bereits Gesehenes wiederholt und spannenden Fragen nicht nachgegangen. Trotzdem bleibt «Riefenstahl» ein sehenswerter Film, der zur weiteren Recherche über das Leben und das Bild von Leni Riefenstahl anregt.

4 von 5 ★

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