Article7. November 2024 Cineman Redaktion
Ein Chamäleon namens Schakal: 5 Gründe, die Sky-Show-Serie «The Day of the Jackal» zu schauen
Zwei Mal wurde Frederick Forsyths Thriller-Roman «Der Schakal» (im Original: «The Day of the Jackal») bereits für das Kino verfilmt. Am überzeugendsten in Fred Zinnemanns werkgetreuer, detailverliebter Adaption von 1973. Auf Basis der Buchvorlage hat Ronan Bennett nun eine modernisierte Serienversion entwickelt, die trotz Holprigkeiten einen Blick wert ist. Wir haben 5 Gründe, die dieses Urteil untermauern.
Der Mord am deutschen Kanzlerkandidaten Manfred Fest (Burghart Klaußner), einem Rechtspopulisten, ruft in London die MI6-Agentin Bianca (Lashana Lynch) auf den Plan. Aus den spärlichen Informationen schlussfolgert sie, dass ein britischer Waffenkonstrukteur das aus grosser Entfernung abgefeuerte Gewehr gebaut haben muss. Der Täter, ein mit allen Wassern gewaschener Verwandlungskünstler (Eddie Redmayne), erhält derweil einen neuen, besonders lukrativen Auftrag. Während Bianca ihm auf die Schliche zu kommen versucht, fragt sich plötzlich auch Nuria (Úrsula Corberó), die nichts ahnende Ehefrau des Schakal genannten Profikillers, warum ihr Gatte beruflich permanent verreist.
1. Eddie Redmayne als Mann der tausend Gesichter
Bekannt geworden durch eher sanfte Rollen in Dramen wie «Die Entdeckung der Unendlichkeit» und «The Danish Girl», beweist Eddie Redmayne mit «The Day of the Jackal», dass er auch abgründige Figuren glaubhaft spielen kann. Muskelbepackt und stets elegant gekleidet, verleiht er dem penibel arbeitenden, bestens organisierten Profikiller eine spannende Ausstrahlung.
In den eisig blauen Augen blitzt nicht nur die Kaltblütigkeit dieses Mannes auf, der keine politische Agenda kennt und Kollateralschäden ohne Wimpernzucken in Kauf nimmt. In manchen Szenen spiegelt sich eben dort auch der Konflikt, den er ständig mit sich selbst austrägt. Seine Ehefrau liebt er offenbar aus ganzem Herzen. Und doch muss der Schakal sie und den Rest der Familie aus Schutz immer wieder belügen. Übrigens: Wer Eddie Redmayne in unterschiedlichen Sprachen, etwa auf Deutsch und Französisch, parlieren hören möchte, hat dazu im Originalton Gelegenheit. Diese Fassung trägt dem internationalen Charakter der Geschichte am besten Rechnung.
2. Moralisch ambivalente Jägerin
Filme und Serien, die die fieberhafte Suche nach Kriminellen schildern, zeigen die Ermittler:innen nicht selten als moralisch integre Menschen. In diesem Fall greift Bianca jedoch schon früh zu zweifelhaften Methoden, um den Mörder des deutschen Kanzlerkandidaten zu identifizieren. Die Konsequenzen ihres Handelns gehen zwar nicht spurlos an ihr vorbei. Nichtsdestotrotz verbeisst sich die Agentin aber so sehr in ihre Nachforschungen, dass sie das Leben einer Informantin völlig aus den Angeln hebt. Bianca gibt selbst dann nicht klein bei, als die Frau einen schweren Verlust erlitten hat. In den Augen der Geheimdienstlerin scheint eine höhere Sache, der Ermittlungserfolg, Opfer am Wegesrand zu rechtfertigen.
3. Der Schakal und seine Familie
Fans von Fred Zinnemanns Adaption aus dem Jahr 1973 könnten mit der Nase rümpfen, dass die Serie dem Antihelden ein Privatleben spendiert. Der Clou des Films besteht ja gerade darin, dass wir nichts Genaues über den Auftragskiller erfahren, ihn nur bei seinen akribischen Vorbereitungen sehen und sich einzig daraus etwas über seinen Charakter ableiten lässt. Der von Edward Fox verkörperte Mann ist ein Professional, der jenseits seines Jobs keinen Alltag zu haben scheint.
«The Day of the Jackal» anno 2024 leuchtet den Aufräumer viel mehr aus, bringt damit aber auch ein neues, probates Spannungselement in die Handlung ein. Einerseits muss der Schakal befürchten, dass sein blutiges Handwerk seine Liebsten einholt. Andererseits könnten die Recherchen der stutzig werdenden Nuria zu einer Gefahr für den Mörder werden. Überflüssig erscheint die Idee, auch der Agentin Bianca familiäre Konflikte zu geben. Viel mehr als das altbekannte Klischee der ständig ihren Beruf vorziehenden Ermittlerin hat die Sky-Produktion, zumindest in den ersten vier Folgen, nicht auf Lager.
4. Von London bis Cádiz
Ähnlich wie Fred Zinnemanns Film nutzt die Serie das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Killer und Geheimdienst, um regelmässig von einem Ort zum nächsten zu springen. München, London, Nordirland (womöglich eine Anspielung auf Michael Caton-Jones’ Romanadaption von 1997), Cádiz, Paris, Kroatien – es geht einmal quer durch Europa, auch wenn die Dreharbeiten aus Kostengründen natürlich nicht immer an den ausgewiesenen Schauplätzen stattfanden. Glitzernder Grossstadtflair oder sonnendurchfluteter Mittelmeercharme – «The Day of the Jackal» hat einiges zu bieten und weckt manchmal Erinnerungen an die Opulenz der James-Bond-Streifen. Deren Bilder und Settings sind freilich noch viel pompöser und kinotauglicher.
5. Analog vs. digital – Abgleich mit erster Verfilmung
Die Leinwandversion von 1973 wurde nun schon mehrfach erwähnt. Ein Vergleich mit der Serie lohnt sich vor allem im Hinblick auf die Welt, in der die beiden Werke spielen. Im Film ist sie durch und durch analog, was es dem Killer leichter macht, unerkannt zu bleiben. Der Geheimdienst hat begrenzte Mittel der Überwachung und stochert lange im Nebel.
In der Sky-Produktion dagegen hat die Technik jeden Lebensbereich erobert. Hier verbringt der Auftragsmörder ebenso viel Zeit vor dem Computer wie mit Reisen. Die digitalen Errungenschaften sind allerdings ein zweischneidiges Schwert. Recherchen führen mit wenigen Klicks zu wichtigen Ergebnissen. Um seine Identität zu verschleiern, nutzt der Schakal einen Stimmenverzerrer. Gleichzeitig bewegt er sich aber auch durch eine Welt der Bilder. Fast jeder Schritt wird irgendwie festgehalten. Selbst Familienfeierlichkeiten bergen Gefahren. Dann nämlich, wenn Schnappschüsse plötzlich in den sozialen Netzwerken landen.
3 von 5 ★
«The Day of the Jackal» ist seit dem 7. November auf Sky Show zu sehen.
Hinweis: Diese Kritik basiert auf der Sichtung der ersten vier von insgesamt zehn Folgen.
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