Review14. Oktober 2020 Michelle Knoblauch
«Dark Waters - Vergiftete Wahrheit» Filmkritik: Gegen alle Widerstände
In Todd Haynes‘ neuer Regiearbeit wühlt sich der dreifache Oscar-Kandidat Mark Ruffalo in der Rolle des real existierenden Anwalts Rob Bilott durch einen schier unglaublichen Umweltskandal, der den Chemieriesen DuPont betrifft. Das Ergebnis: Ein stark gespieltes, wohltuend konzentriert erzähltes Tatsachendrama, das viele Zuschauer nachdenklich zurücklassen dürfte.
Filmkritik von Christopher Diekhaus
Eigentlich ist der in einer erfolgreichen Wirtschaftskanzlei arbeitende, gerade zum Partner aufgestiegene Rob Bilott (Mark Ruffalo) ein denkbar schlechter Ansprechpartner für den verzweifelten Farmer Wilbur Tennant (Bill Camp), der im Jahr 1998 mit einem dringenden Anliegen an den Unternehmensanwalt herantritt. Für die Missbildungen und das Sterben seiner Kühe sei die Deponie des Chemiegiganten DuPont verantwortlich, den er unbedingt zur Rechenschaft ziehen will.
Weil Bilott persönliche Beziehungen in die Region in West Virginia hat, aus der Tennant stammt, stellt er netterweise ein paar Nachforschungen an. Einen grossen Skandal kann der Jurist zunächst jedoch nicht entdecken. Als er sich trotzdem dazu durchringt, tiefer zu graben, stösst er auf Indizien, die einen bösen Verdacht nähren: Offenbar hat DuPont die gesundheitlichen Gefahren eines synthetischen Stoffes namens Perfluoroctansäure, kurz PFOA genannt, der unter anderem in der Teflon-Produktion zum Einsatz kam, gezielt verheimlicht.
Eindruck hinterlassen besonders Bill Camp, Tim Robbins und Anne Hathaway.
«Dark Waters – Vergiftete Wahrheit» ist die Chronologie einer ungeheuerlichen Affäre, die ein schlechtes Licht auf den von Profitdenken getriebenen DuPont-Konzern und das Wirken der für die Kontrolle zuständigen Behörden wirft. Bilotts Recherchen fördern ein korruptes Netzwerk und miese Verschleppungstaktiken zu Tage und führen dazu, dass der anfangs auf der anderen Seite stehende Anwalt mehr und mehr das System hinterfragt.
Regisseur Todd Haynes, der noch nie für reisserische Filme bekannt war, lässt sich zum Glück nicht vom Erregungspotenzial seines Stoffes anstacheln, sondern begegnet den wütend machenden Enthüllungen mit einer angenehmen Sachlichkeit und Präzision. In sorgsam komponierten, unterkühlt-blaustichigen Bildern und ohne inszenatorische Mätzchen entfaltet sich eine David-gegen-Goliath-Geschichte, in der die von Mark Ruffalo angenehm unprätentiös verkörperte Hauptfigur nicht zu einem überlebensgroßen Helden mutiert.
Das Drehbuch, das auf einem Beitrag aus dem New York Times Magazine basiert, bemüht sich, die Komplexität des Falles einzufangen, muss aber, vor allem in der zweiten Hälfte, mit einigen Verknappungen operieren und kann nicht alle angeschnittenen Aspekte ausreichend vertiefen. Der eindringlichen Wirkung tun die dramaturgischen Einschnitte jedoch keinen grossen Abbruch. Auch, weil der Film bis in die Nebenrollen hinein stark besetzt ist. Eindruck hinterlassen besonders Bill Camp als um seine Existenz fürchtender Farmer, Tim Robbins als Bilotts ungeduldiger Chef und Anne Hathaway als Robs zunehmend beunruhigte Ehefrau Sarah.
4 von 5 ★
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