Interview4. Februar 2019

Head of Character Animation Simon Otto: "Die «Drachenzähmen»-Trilogie war für mich wie ein Baby"

Head of Character Animation Simon Otto: "Die «Drachenzähmen»-Trilogie war für mich wie ein Baby"
© Universal Pictures Switzerland

Mit «Drachenzähmen leicht gemacht 3: Die geheime Welt» findet die gefeierte Animationsfilm-Trilogie rund um Hicks und Ohnezahn ein fulminantes Ende. Wir haben den Schweizer Head of Character Animation Simon Otto getroffen und mit ihm über mögliche Karrierewege angehender Animatoren, Inspirationsquellen für die geflügelten Figuren und das Erfolgsgeheimnis der Filmreihe gesprochen.

Du hast über 20 Jahre lang für DreamWorks gearbeitet und warst unter anderem im Fall von «Drachenzähmen leicht gemacht» als Head of Character Animation tätig. Worin bestehen die Aufgaben in dieser Position?

Simon Otto: Der Head of Character Animation ist der überwachende Animator. Ich war als solcher verantwortlich für alles, was die Figuren anbelangt. Ich habe mich nicht um den Hintergrund gekümmert, nicht um die Special Effects, sondern wirklich nur um die Figuren. Der erste Teil dieser Arbeit besteht darin, die Figuren, also die digitalen Puppen, in Zusammenarbeit mit ganz vielen anderen zu kreieren. Ich mache das nicht alleine und wäre in dieser Situation am ehesten mit einem Kunden eines Autoherstellers zu vergleichen, der schliesslich das gekaufte Auto fahren muss.

Wie Fans rund um den Globus sind auch die Protagonisten der Animationsfilm-Trilogie älter geworden.© Universal Pictures Switzerland

Simon Otto: Dafür muss ich aber auch wissen, wo die Gangschaltungen sind und wie alles funktioniert. Im Film wäre dies das Technische und Visuelle, sodass die Figuren wirklich Charme und ein Design haben. Dieser Prozess dauert ungefähr eineinhalb Jahre. Der zweite Teil der Arbeit besteht darin, mit dem Regisseur und den Animatoren – am Schluss sind es fast 50 – Szene für Szene zu kreieren, also das Schauspiel für die Figuren zu machen.

Deine Karriere hast du in der Schweiz begonnen. Wie schafft man es als Schweizer, in Hollywood so weit zu kommen?

Simon Otto: An sich war es ein kleines Bisschen Glückssache, aber vieles hat auch mit Leidenschaft zu tun. Ich habe schon als kleiner Junge davon geträumt, eines Tages Zeichner zu werden, habe Animation und Disneyfilme geliebt, und wirklich auch unglaublich gerne gezeichnet. Aber du kannst den Weg in die Filmindustrie natürlich auf ganz unterschiedliche Art und Weise finden. Es gibt keine Regelung, die besagt, dass du dieses und jenes machen musst, um dort hinzukommen. Du musst einfach Leidenschaft und natürlich Talent an den Tag legen und dann auch die richtigen Möglichkeiten am Schopf packen.

Wenn du das, was du tust, wirklich liebst, gibt es einen Weg.– Simon Otto

Simon Otto: Genau zu der Zeit, als DreamWorks seine Tore geöffnet hat und die Hollywood-Animation so einen Boom erlebt hat, hatte ich die Möglichkeit, an eine Pariser Animationsschule zu gehen. Ich denke aber, der beste Weg für einen Künstler in der Schweiz ist es, an eine Kunsthochschule zu gehen, vielleicht an die Animationsklasse der Hochschule Luzern, und dann von dort aus Schritt für Schritt seinen Weg zu finden.

Im visuell überwältigenden letzten Teil der Trilogie sind mehr Drachen als je zuvor zu sehen. © Universal Pictures Switzerland

Du selbst bist ja über Umwege zur Animation gekommen.

Simon Otto: Ja genau! Zuallererst habe ich eine Banklehre begonnen und gemerkt, dass das sicher nichts für mich ist (lacht). Aber wie es sich für einen guten Schweizer gehört, habe ich die Banklehre abgeschlossen und dann aber sofort auf das Künstlerische umgesetzt: Ich habe als Schneeskulpteur gearbeitet und für die Zeitung gezeichnet, was mir dann erlaubt hat, an den Vorkurs der F & F (Anm. d. Red.: Schule für Kunst und Design) in Zürich zu gehen. Dort habe ich dann voll und ganz auf die Karte Animation gesetzt, jedes erdenkliche Animationsstudio angeschrieben und versucht, irgendwie ein Praktikum machen zu können. Das konnte ich schliesslich, und dort habe ich dann von dieser Schule in Paris erfahren…

Figuren wie Ohnezahn oder der Tagschatten sind auch wie Ausschnitte aus meinem eigenen Leben, wie meine Beziehung zu meiner Katze.– Simon Otto

Simon Otto: Ich denke es ist heute einfacher, einen Weg zu finden, weil du durch das Internet herausfinden kannst, wie Schweizer oder auch andere den Sprung nach Hollywood geschafft haben. Du kannst die Leute auf Twitter oder Instagram anschreiben, und sie geben dir Antwort – kurz: Du musst einfach die Leidenschaft dafür mitbringen. Es ist ein langer Weg, doch wenn du das, was du tust, wirklich liebst – sei es als Drehbuchautor oder Schauspieler – gibt es einen Weg. Du musst dir gegenüber natürlich aber auch immer ehrlich sein und dir eingestehen können, ob du das wirklich willst und auch das Talent dafür hast. Das ist aber nicht unbedingt offensichtlich.

Ein eingeschworenes Team: Regisseur und Drehbuchautor Dean DeBlois und Head of Character Animation Simon Otto. © Universal Pictures Switzerland

Sequels haben oftmals den Ruf, schlechter als ihre Ausgangsfilme zu sein. Wenn es aber Filme gibt, die das totale Gegenteil beweisen, dann sind es die Fortsetzungen von «Drachenzähmen leicht gemacht». Woran liegt das?

Simon Otto: Danke vielmals, das ist natürlich schön zu hören. Es war unser Ziel, eine Trilogie zu erschaffen, in der die Filme als Ganzes funktionieren und deren Qualität sehr hoch ist. Das hat sehr viel damit zu tun, dass der Drehbuchautor und der Regisseur ein und dieselbe Person ist: Dean DeBlois, der an allen drei Filmen gearbeitet hat. Weil er seine eigene Stimme in den Film eingebracht hat und einen Film machen wollte, der das Publikum erreicht – auch auf einer emotionalen Ebene – sind die meisten, die am ersten Teil der Trilogie mitgearbeitet haben, auch beim zweiten und dritten Teil beteiligt gewesen.

Im Prinzip war es also immer dieselbe Crew, welche die Filme gemacht hat. Für uns war das wie unser Baby. Auch für mich selbst ist die Trilogie wie mein Baby gewesen und die Figuren wie Ohnezahn oder der Tagschatten sind auch wie Ausschnitte aus meinem eigenen Leben, wie meine Beziehung zu meiner Katze, zu meinen Tieren – da steckt unglaublich viel Herzblut drin.

Diese beiden wuchsen nicht nur den Fans der drachenstarken Animationsreihe ans Herz. © Universal Pictures Switzerland

Ihr greift in allen drei Filmen die Wikingerkultur auf. Inwiefern habt ihr euch an historischen Fakten orientiert und wo konntet ihr eurer Fantasie freien Lauf lassen?

Simon Otto: Wir haben uns von Anfang an gesagt, dass wir uns von der Geschichte, der Biologie und der Tierwelt inspirieren, aber dass wir uns nicht einschränken lassen wollen. Es ist ein Fantasiefilm, der einen gewissen Ankerpunkt in unserer Welt hat – im Prinzip ist es aber fast eine Parallelwelt.

Es sind unglaublich viele Stunden, die in so einen Film hineingesteckt werden.– Simon Otto

Simon Otto: Natürlich haben wir ziemlich viel recherchiert: Bei den Wikingern, bei den Sami-Kulturen, dann auch bei der Nordengländischen Kultur, und bei den Schotten, wo die Wikinger auch waren. Wir wollten immer nur Inspiration finden, um die Welt so reichhaltig wie möglich zu gestalten, und wollten uns nicht an geschichtliche Fakten halten, die uns dann einschränken.

Die «Drachenzähmen leicht gemacht»-Trilogie verschmilzt zahlreiche Elemente unterschiedlichster Kulturen. © Universal Pictures Switzerland

Wie du schon angedeutet hast, habt ihr für die Drachen oft Tiere als Inspirationsquellen genutzt. Wie sieht es beim beim Tagschatten aus?

Simon Otto: Der Tagschatten ist im Drehbuch wie eine weibliche Löwin beschrieben. Wir haben uns überlegt, wie wir eine ganz neue Figur kreieren könnten, die zwar ganz anders aussieht, eine andere Farbe hat, aber trotzdem eine glaubwürdige Version eines Nachtschattens darstellt. Also haben wir uns erneut in der Tierwelt umgesehen. Der Tagschatten ist ein Schneeleopard gemischt mit einem weissen Axolotl, einem mexikanischen Salamander. Wir haben uns aber natürlich auch Inspiration bei gewissen Schwalben, darunter auch Seeschwalben, geholt. All diese Tiere wurden zusammengemischt, und daraus ist dann der Tagschatten entstanden.

Panther, Fledermaus, Schneeleopard, Axolotl oder auch die Seeschwalbe wurden für den Tagschatten und Ohnezahn als Inspirationsquellen genutzt. © Universal Pictures Switzerland

Du hast Ende letzten Jahres deine Zusammenarbeit mit DreamWorks beendet, und die Trilogie hat nun leider auch schon ihr Ende erreicht. Weisst du bereits, wohin dich deine Reise als nächstes führen wird?

Simon Otto: Es ist nicht so, dass ich meine Arbeit mit DreamWorks beenden wollte. Ich wollte einfach eine kleine Auszeit nehmen, denn ich habe 12 Jahre lang an diesen Filmen gearbeitet und war 21 Jahre bei DreamWorks. Es war einfach mal an der Zeit für mich, eine Pause einzulegen und mir alles zu überlegen. Ich habe das Ziel, den Sprung in die Regie zu schaffen, und mit den Serien «Dragons: Race to the Edge» und «The Trollhunters» konnte ich das auch schon erreichen.

Der Tagschatten: Liebenswert und extravagant. © Universal Pictures Switzerland

Simon Otto: Es ist jetzt für mich langsam an der Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, was mein nächstes Projekt sein könnte. In diesen 21 Jahren hatte ich nie wirklich einen Moment, in dem ich mir sagen konnte: “Ok, jetzt habe ich etwas abgeschlossen – etwas Grosses abgeschlossen – jetzt nehme ich mir mal Zeit”. Jetzt ist der Moment gekommen, sich etwas Zeit zu nehmen. Wir haben wirklich sehr, sehr hart an diesem Film gearbeitet. Das sind unglaublich viele Stunden, die in so einen Film hineingesteckt werden und wir haben uns eine Verschnaufpause verdient (lacht).

Es heisst ja auch, man solle dann aufhören, wenn es am schönsten ist. «Drachenzähmen leicht gemacht 3» ist in jeder Hinsicht – zumindest vorerst – ein würdiger Abschluss.

Simon Otto: Ja, das denke ich auch. Wir sind wirklich auch sehr stolz drauf. Danke vielmals!

«Drachenzähmen leicht gemacht 3: Die geheime Welt» ist ab dem 7. Februar in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

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