Review28. November 2020
Netflix-Kritik «ÜberWeihnachten»: Fest der Hiebe
In der dreiteiligen Miniserie «ÜberWeihnachten» füllt der in Bonn geborene, aus einer italienisch-kanadischen Künstlerfamilie stammende Entertainer Luke Mockridge seine erste Hauptrolle als Schauspieler aus – und macht dabei eine ordentliche Figur.
Serienkritik von Christopher Diekhaus
Mit den Liebsten einträchtig unter dem geschmückten Tannenbaum sitzen, köstlich speisen und hübsch verpackte Geschenke austauschen – so stellt man sich traditionell das Weihnachtsfest vor. Wenn es draussen kalt und ungemütlich wird, wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt, kommen Familien zusammen, um Freude und Besinnlichkeit zu teilen. Die feierliche Harmonie ist allerdings ein verletzliches Pflänzchen, wie jeder aus eigener Erfahrung wissen dürfte. Denn neben schönen Erinnerungen kommen nicht selten auch lang schwelende Konflikte auf den Tisch. Und noch dazu kann der Wunsch nach perfekt ablaufenden Festtagen für reichlich Hektik sorgen.
Genau in diese Kerbe schlägt die von Netflix in Auftrag gegebene Miniserie «ÜberWeihnachten», die auf dem Roman «7 Kilo in 3 Tagen» von Christian «Pokerbeats» Huber basiert. Wie jedes Jahr zieht es den mittlerweile in Berlin lebenden Musiker Bastian Fallinger (Luke Mockridge) kurz vor Heiligabend in seinen Heimatort in der westdeutschen Provinz. Der obligatorische Besuch bei seinen Eltern Brigitte (Johanna Gastdorf) und Walter (Rudolf Kowalski) erfüllt ihn dieses Mal mit wenig Vorfreude, da der junge Mann beruflich nicht vorankommt, die zu erwartenden Rückfragen scheut und zu allem Überfluss noch immer unter der Trennung von seiner Ex-Freundin Fine (Cristina do Rego) leidet.
Die dreiteilige Serie spielt ein Szenario durch, das man bereits aus vielen anderen Weihnachtsfilmen und -serien kennt.
Schon kurz nach seiner Ankunft spürt Bastian aggressive Schwingungen zwischen seiner Mutter und seinem Vater. Aus den Schuhen haut ihn aber erst die Erkenntnis, dass sein kurz nach ihm eintreffender Bruder Niklas (Lucas Reiber) nun mit Fine liiert ist und er die beiden Verliebten die nächsten Tage ertragen muss. Auch wenn Niklas versucht hat, Bastian vorzuwarnen, ist der sich nach aussen erfolgreich gebende, in Wahrheit aber auf seinen Call-Center-Nebenjob angewiesene Musiker entrüstet und will eigentlich sofort abreisen. Walters Machtwort bringt ihn von diesem Vorhaben ab. Ruhe kehrt jedoch fortan im Hause Fallinger nicht mehr ein.
Heimlicher Star ist Bastians Oma Hilde, die mit ihrem derben Humor selbst ihre Enkel in Verlegenheit bringt.
Der von Tobi Baumann («Pastewka») als Regisseur und Mitautor federführend betreute Dreiteiler spielt ein Szenario durch, das man bereits aus vielen anderen Weihnachtsfilmen und -serien kennt. Dass auch in diesem Fall diverse Klischees bemüht werden, ist für sich genommen kein Problem. Mit etwas Einfallsreichtum lassen sich auch daraus unterhaltsame Konflikte und Wendungen stricken.
«ÜberWeihnachten» hat zweifelsohne seine schrägen Momente. Etwa dann, wenn der Pfarrer mitten in der Christmette plötzlich zu einem Rundumschlag ausholt. Gelungene Situationskomik produziert auch ein Stilmittel, auf das die Miniserie wiederholt zurückgreift. Mehrfach tauchen wir in den Kopf des Protagonisten ein, wo manche Begegnungen einen skurrilen, von der Realität stark abweichenden Verlauf nehmen. Vielleicht hätte man diesen Kniff aber etwas dosierter einsetzen können. Einige Fake-Szenen entlarven sich nämlich zu schnell und verlieren dadurch an Reiz.
Der musikalisch vielseitig talentierte Mockridge verleiht dem mit seinem Leben hadernden, noch etwas unreifen Singer-Songwriter spitzbübischen Charme und schlägt sich im Zusammenspiel mit seinen erfahreneren Darstellerkollegen wacker. Auch wenn in manchen emotionalen Augenblicken seine Ungeübtheit aufblitzt, kommt das Knistern zwischen Bastian und Niklas‘ Jugendfreundin Karina (einnehmend: Seyneb Saleh) überzeugend zur Geltung. Heimlicher Star ist allerdings Bastians Oma Hilde (Carmen-Maja Antoni), die mit ihrem derben Humor selbst ihre Enkel in Verlegenheit bringt.
Auch ihre amüsanten Auftritte können leider nicht kaschieren, dass «ÜberWeihnachten» dem Zuschauer auf inhaltlicher Ebene nur Durchschnittskost serviert. Die Geheimnisse und Volten der Handlung haben wenig Überraschungspotenzial. Das Brechen von Stereotypen wirkt manchmal einen Tick zu gewollt. Und der Punkt, an dem sich die Spannungen entladen, ist eine mässig vorbereitete Drehbuchkonvention. Ins Bild passt nicht zuletzt die zu geschmeidige Art und Weise, wie im Anschluss alle Läuterungszahnräder ineinandergreifen. Die weihnachtliche Harmonie wird hier dann doch überdeutlich beschworen.
2.5 von 5 ★
«ÜberWeihnachten» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.
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