Article31. Januar 2020 Noëlle Tschudi
Netflix-Tipp «Der schwarze Diamant»: Im Thriller der Safdie-Brüder erfindet sich Adam Sandler neu
Adam Sandler ist berüchtigt für seine Auftritte in mittelprächtigen, mit derbem Humor ausgestatteten Komödien, wurde dreimal zum schlechtesten Schauspieler des Jahres gekürt, und scheint sich auf Grossleinwand kaum von der Rolle des Losers trennen zu können. Im Thriller «Der schwarze Diamant» beweist der Amerikaner nun, dass er auch ernst kann.
Howard Ratner (Adam Sandler) ist Jude, Juwelier und ständig auf der Jagd nach dem nächsten grossen Deal. Protzige Hünen gehen in seinem Geschäft im Diamantenviertel von New York ein und aus. Als er 2012 einen seltenen schwarzen Opal aus Äthiopien erhält, den er auf mindestens eine Million Dollar schätzt, gerät sein ohnehin schon turbulentes Leben schliesslich aus den Fugen.
Das Juwel zeigt er in all seinem Übermut dem Boston Celtics Basketball-Star Kevin Garnett, der den Stein, der ihm als Glücksbringer für ein wichtiges Spiel dienen soll, am liebsten augenblicklich kaufen würde. Dies kommt für Howard, der den Opal bei einer Auktion am darauffolgenden Montag versteigern möchte, aber nicht in Frage. Stattdessen bietet er ihm an, diese Seltenheit für eine Nacht auszuleihen. Dafür soll der der Profispieler allerdings seinen Meisterschaftsring in die Obhut des notorischen Glücksspielers geben...
Überraschende Wendungen verstärken die vorherrschende aufregende Wirkung des Thrillers: Zu Atem kommt weder der Protagonist noch das Publikum.
Um für eine Sportwette an Bargeld zu kommen, gedenkt Howard fremde Wertgegenstände zu verpfänden, weshalb der Ring ihm ganz gelegen kommt. Doch ehe er sich’s versieht, gerät er in kürzester Zeit in grosse Schwierigkeiten und riskiert alles, was ihm lieb und teuer ist, zu verlieren.
Das neueste Werk der Brüder Benny und Josh Safdie («Good Time») konnte bereits am 30. August des vergangenen Jahres im Rahmen des Telluride Film Festivals seine Premiere feiern und sorgte im Vorfeld der diesjährigen Oscarverleihung für grosses Aufsehen. Zwar brachte Adam Sandler die Rolle des Antihelden zahlreiche Filmpreis-Nominierungen ein. Die Nominierung für einen Oscar blieb allerdings aus, was ein böses – oder eher ein extrem komisches – Nachspiel haben könnte: In einem Interview mit Howard Stern versprach Sandler, in einem richtig schlechten Film mitzuspielen, sollte er für seinen dramatischen Auftritt in «Der schwarze Diamant» nicht mit einem Oscar belohnt werden. Ob er diese Drohung wahr werden lässt, bleibt abzuwarten.
Die Safdie-Brüder bereichern Netflix mit einem sehenswerten Thriller, der das in Sandler schlummernde Potential auf fesselnde Art und Weise zur Geltung bringt.
Trotz ausgebliebener Oscarnominierung beweist Sandler in der A24-Produktion, die ab 31. Januar auf Netflix zu sehen ist, dass er durchaus auch in Dramen und Thrillern zu überzeugen vermag – vorausgesetzt, die gegebenen Umstände begünstigen dies, wie im Fall von «Der schwarze Diamant».
Der Film hält einem mit schier unfassbarer Intensität vor Augen, wie rasch sich ein Mann in sein eigenes Verderben stürzen kann und sorgt mit psychedelischer, an 80er-Jahre-Synth-Sound angelehnter Filmmusik von Daniel Lopatin, gewollt wackeliger Handkamera von Darius Khondji und ständiger Hektik für ein konstantes Unbehagen und steigendes oder zumindest konstant bleibendes Stresslevel beim Zuschauer. Überraschende Wendungen verstärken die vorherrschende aufregende Wirkung des Thrillers: Zu Atem kommt weder der Protagonist noch das Publikum.
Die Safdie-Brüder bereichern Netflix mit einem sehenswerten Thriller, der das in Sandler schlummernde Potential auf fesselnde Art und Weise zur Geltung bringt. Fans des Klamauk-Komödianten seien aber gewarnt: Um für ihn übliche leichte Unterhaltung handelt es sich bei diesem Film nicht. Stattdessen präsentiert sich «Der schwarze Diamant» als Werk, das aufregend, zuweilen verstörend und mit einer über zweistündigen Laufzeit – einer Reizüberflutung gleich – manchmal auch herausfordernd wirken kann.
4 von 5 ★
«Uncut Gems» läuft ab sofort auf Netflix.
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