Article4. Oktober 2023 Konstantin Hitscher
Neu im Kino: 3 Filme, die wir euch diese Woche ans Herz legen
Wie reagiert man richtig auf Trauma? Drei Kinostarts beantworten die Frage in dieser Woche sehr unterschiedliche. In «Les Filles d’Olfa» wiederholt eine Familie durch ein Rollenspielen den Verlust zweier Töchter. Der «DogMan» flüchtet sich im gleichnamigen Film in eine tierische Ersatzfamilie. Und in «Je verrai toujour vos visages» wählen Opfer und Täter den Dialog.
1. «Les Filles d’Olfa»
Eine furchtlose Anklage
Die Tunesierin Olfa Hamrouni ist eigentlich Mutter von vier Töchtern – trotzdem lebt sie nur noch mit ihren beiden Jüngsten zusammen. Die älteren Mädchen, Ghofrane und Rahma, flohen 2015 aus dem Elternhaus, um sich in Libyen Sympathisanten des Islamischen Staates anzuschließen. Regisseurin Kaouther Ben Hania nähert sich dieser Geschichte durch Interviews. Mit Hilfe der Schauspielerinnen Ichraq Matar und Nour Karoui, die die Parts der beiden verlorenen Töchter übernehmen, führt sie aber auch mehrere Rollenspiele mit der Familie durch.
Der Film lässt die Grenzen zwischen Doku und Fiktion verschwimmen. Dabei reflektiert «Les Filles d’Olfa» immer wieder die eigene Form und schildert die traurige Geschichte trotzdem eindrücklich. Die Familie prangert furchtlos den Terror an, den religiöser Radikalismus auslösen kann.
2. «DogMan»
Ein Mann und sein Rudel
Nachdem Doug (Caleb Landry Jones) attakiert wurde, erzählt er auf dem Polizeirevier der Therapeutin Evelyn (Jojo T. Gibbs) seine Geschichte. In der Kindheit und Jugend hat er ausschliesslich Gewalt und Ablehnung erfahren – jetzt lebt er zurückgezogen mit einem Rudel aus mehr als 30 Hunden zusammen. Wer ihm und seiner neuen Familie schaden will, muss um sein Leben fürchten!
Mit der Einladung von «DogMan» sorgte das Festival von Venedig schon im Vorfeld für Schlagzeilen – Regisseur Besson musste sich vor Gericht mit Vergewaltigungsvorwürfen auseinandersetzen. Künstlerisch rechtfertige der Film die Einladung dabei nur bedingt: Jones Darbietung ist überaus beeindruckend, in der Darstellung des Leids von Doug gleitete der Film aber mitunter in Kitsch ab.
3. « Je verrai toujours vos visages»
Der lange Weg zur Vergebung
Bei der «justice réparative» sollen Opfern und Tätern in einen Dialog treten. Regisseurin Jeanne Herry greift diese tatsächliche Methode des französischen Rechtssystems auf – ihr Film folgt den Dialogen und Erkenntnissen einer Reihe von Charakteren, die sich so begegnen. Adèle Exarchopoulos, Élodie Bouchez oder auch Gilles Lellouches schlüpfen in die Rolle von Fachleuten, Freiwilligen, Opfern oder Tätern.
Der Film überlässt den Erzählungen der unterschiedlichen ProtagonistInnen viel Raum und nimmt sich bewusst zurück. «Je verrai toujour vos visages» stellt so das Zuhören und das Verständnis ins Zentrum.
Welche weiteren Filme ab sofort neu im Kino zu sehen sind, erfährst du hier.
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