Article2. Oktober 2019 Noëlle Tschudi
Von Japan nach Hollywood: Diese 7 Filme haben sich bei Animes bedient
Ob einzigartige Elemente, ikonische Szenen oder gar ganze Storys: Für diese 7 Hollywood-Streifen dienten Animes als Inspirationsquellen.
1. «Black Swan» (2010)
Der im Jahre 2010 verstorbene Japaner Satoshi Kon zeigt sich für Werke wie «Paprika», «Tokyo Godfathers» und «Perfect Blue» verantwortlich und zählt nebst Hayao Miyazaki zu den wohl einflussreichsten Anime-Regisseuren aller Zeiten. Dass nicht nur die Macher zahlreicher Animes aus seinem einzigartigen Schaffen Inspiration schöpfen konnten, sondern auch so einige Regisseure aus dem Westen von Kons innovativen Einfällen profitieren konnten, beweisen unter anderem gleich zwei Filme von Darren Aronofsky.
Aronofskys «Black Swan» handelt von einer aufstrebenden Balletttänzerin namens Nina, Kons «Perfect Blue» von Mima, einer japanischen Pop-Sängerin, die sich nichts sehnlicher als eine erfolgreiche Schauspielkarriere wünscht. Während es Nina schwer fällt, Realität von Wahn zu unterscheiden, ist Sängerin Mima auf eine ganz ähnliche Art und Weise zwischen der wahren Welt und ihren Wahnvorstellungen gefangen. Die Traumata der beiden jungen Frauen nehmen in beiden Werken eine grosse Rolle ein – und einzelne Szenen sind nahezu identisch.
Tatsächlich hat sich Aronofsky die amerikanischen Filmrechte für «Perfect Blue» gesichert, um die bekannte Badewannenszene für seinen Film «A Requiem For A Dream» Frame für Frame kopieren zu können. Im Falle von «Black Swan» hat der Amerikaner aber stets abgestritten, «Perfect Blue» als Inspirationsquelle genutzt zu haben – und das, obwohl Masao Maruyama, Satoshi Kons Produzent, laut dem Online-Magazin Dazed bestätigt haben soll, dass der Amerikaner Kon getroffen habe, um über eine «Perfect Blue»-Realverfilmung zu diskutieren.
2. «Der König der Löwen» (1994)
Eine der grössten Inspirationsquellen stammt aus einer hierzulande kaum bekannten Anime-Serie von Osamu Tezuka, die den Namen «Kimba der Weisse Löwe» trägt und deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit «Der König der Löwen» teilt, als es der Zufall zulässt. Nebst Elementen wie dem Kreis des Lebens und unterschiedlichen gleichartigen Archetypen finden sich in beiden Filmen auffällig ähnliche Szenen und ikonische Hintergründe, wie zum Beispiel der Königsfelsen – und nicht zuletzt Protagonisten, deren Namen sich um lediglich einen Buchstaben unterscheiden.
Während Parallelen zwischen «Der König der Löwen» und Shakespeares «Hamlet» vielen Zuschauern augenblicklich aufgefallen sind, ist ein deutlich offensichtlicherer Vergleich vor allem einem westlichen Publikum zunächst grösstenteils entgangen: Der Disney-Klassiker mag zwar der kommerziell erfolgreichste Zeichentrickfilm sein, ganz so originell, wie er vorgibt zu sein, ist er aber nicht.
Während «Der König der Löwen» bis heute als erster origineller Disney-Zeichentrickfilm bezeichnet wird, kann die offenkundige Nähe zu Osamu Tezukas Werk nicht abgestritten werden. Das sahen auch die Macher der Simpsons so, weswegen sie kurzerhand in einer «The Simpsons»-Folge einen ironischen Seitenhieb austeilten und Eingeweihte damit zum Schmunzeln brachten.
3. «Inception» (2010)
Christoper Nolans Traum-Heist-Film «Inception» wurde in der Vergangenheit für seine verhältnismässig komplexe und originelle Handlung von Kritikern und Kinogängern regelrecht mit Lobeshymnen überhäuft. Doch während es dem siebten Spielfilm Nolans zwar als clever verschachtelter Thriller gelingt, seine Zuschauer in Atem zu halten, ist er nicht ganz so einzigartig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.
Maschinen, welche einem erlauben, in Träume einzutauchen, sind auch in Satoshi Kons Anime «Paprika» zu finden. Dieser unterscheidet sich zwar in seiner Tonalität und Story von «Inception», ist deutlich surrealer und spielt deutlich mehr mit seinem Konzept der Traummaschinen, dafür teilen beide Werke verschwommene Linien zwischen der Realität und den Träumen, das Einbrechen in fremde Träume und Filmsequenzen, die eine verblüffende Ähnlichkeit aufweisen.
Die Faktenlage im Fall “Paprika und Inception” ist dünn und ein definitives Urteil sollte deswegen mit Vorsicht genossen werden. Während einigen Quellen entnommen werden kann, dass Nolan «Paprika» als Inspirationsquelle für die Figur Ariadne genutzt haben soll, verweisen andere darauf, dass er «Inception» als Hommage an den Anime geplant hätte, und wieder andere, dass er «Paprika» vor der Entstehung von «Inception» nicht gekannt habe.
Ob die Ähnlichkeiten beider Filme auf Zufall, bewusste oder unbewusste Inspiration zurückzuführen sind, lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen – dass beide Filme als visuelle Meisterwerke mit einer packenden Story überzeugen, steht jedoch ausser Frage.
Fun Fact: 2010 war eine Realverfilmung von «Paprika» in Planung, für die Wolfgang Petersen hätte Regie führen sollen. Als «Inception» aber noch im gleichen Jahr auf der Bildfläche erschien, wurden diese Pläne wieder begraben.
4. «The Matrix» (1999)
Unter Hollywood-Blockbustern gibt es so einige, für deren Entstehung schockierend viel von Animes abgeschaut worden ist, ohne dass die besagten Inspirationsquellen jemals als solche Erwähnung fanden. Ganz anders verhält sich dies bei den Wachowski-Geschwistern, die für die «The Matrix»-Trilogie einerseits die Drehbücher lieferten, andererseits auf dem Regiestuhl sassen und den Anime «Ghost in the Shell» als eine ihrer bedeutendsten Inspirationsquellen deklarierten.
Während die Story der «The Matrix»-Trilogie und des futuristischen Animes zwar keine grösseren Gemeinsamkeiten aufweist, tun dies das Setting, der Stil und die Action allemal. Tatsächlich sollen die Wachowskis «Ghost in the Shell» ihrem Produzenten Joel Silver gezeigt haben, um ihm darlegen zu können, welche Wirkung sie mit ihren Actionsequenzen anstrebten.
«The Matrix» ist zwar keine Adaption des Animes, jedoch stark vom Look und dem Konzept von «Ghost in the Shell» inspiriert worden. Von der Cyberpunk-Ästhetik bis hin zum grünen Code finden sich so einige «Ghost in the Shell»-Referenzen in «The Matrix», über welche die Wacholskis in der Vergangenheit allerdings stets sehr offen gesprochen haben.
5. «Pacific Rim» (2013)
Mit grosser Wahrscheinlichkeit würde «Pacific Rim» nicht in seiner heutigen Form existieren, gäbe es da nicht hunderte Anime-Serien über gigantische Roboter und die sogenannten Mech-Suits. Während es keinen Anime gibt, auf dem «Pacific Rim» direkt basiert, so existieren mit beliebten Anime-Reihen wie «Mobile Suit Gundam» oder «Neon Genesis Evangelion» zumindest einige bekanntere Franchises, die mehr oder minder stark an den Streifen von Guillermo del Toro erinnern.
Tatsächlich gab der «Hellboy»-Regisseur an, den Anime-Klassiker «Neon Genesis Evangelion» nie gesehen zu haben. Stattdessen beruft er sich aber auf eine deutlich weniger bekannte Anime-Serie, die ihm als Inspirationsquelle gedient haben soll und erstmals 1963 im japanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Die Rede ist von «Gigantor», einer Serie, in der ein zu einem Agenten der Polizei umgebauter Roboter in den Kampf gegen Verbrecher und deren Roboter zieht.
6. «Van Helsing»
In Bram Stokers Klassiker «Dracula» präsentiert sich Abraham Van Helsing als rüstiger Mann der Wissenschaft, der nicht davor zurückschreckt, sich die Hände schmutzig zu machen – und dadurch in viele nervenaufreibende Situationen gerät. Erst spätere Adaptionen präsentierten Van Helsing der Leserschaft respektive den Zuschauern als einen erfahrenen Vampir-Killer.
Mit dem Anime «Vampire Hunter D» etwa wurde ein seinerzeit origineller und unvergleichlicher Jäger der Untoten ins Leben gerufen, der erstmals als langhaariger Halb-Vampir im Cowboy-Look auftrat – und mit einem schwarzen Mantel und einem grossen Schlapphut ausgestattet Jagd auf unheilvolle Monstrositäten machte.
Zwischenzeitlich fanden «Dracula»-Referenzen in zahlreichen Filme ihren Weg auf die Grossleinwand. Als Hugh Jackman 2007 aber schliesslich Werwölfen und Vampiren als Vampirjäger in «Van Helsing» zu Leibe rückte, vermuteten Anime-Fans zurecht, dass «Vampire Hunter D» den Machern des Fantasy-Blockbusters wohl als Inspirationsquelle gedient haben könnte.
7. «Transcendence» (2014)
Wally Pfisters Regiedebüt «Transcendence» floppte im Jahr 2014 zwar an den Kinokassen, konnte aber zumindest Zuschauern, welchen «Serial Experiments Lain» kein Begriff war, eine interessante und aussergewöhnliche Ausgangslage präsentieren.
In «Transcendence» wird ein Wissenschaftler (Johnny Depp) in gewisser Weise am Leben erhalten, indem eine computerisierte Version seiner Selbst erschaffen wird, sodass er langsam aber sicher Allmacht erlangen kann. Was für so manch einen Kinogänger im ersten Moment nach einem einzigartigen Konzept klingen mag, ist in Anime-Kreisen keine Neuheit: Bereits 16 Jahre vor Pfisters Sci-Fi-Streifen versetzte die Reihe «Serial Experiments Lain» Zuschauer mit einer immer mächtiger werdenden digitalen Entität in Staunen.
«Serial Experiments Lain» handelt von einem japanischen Schulmädchen, welches sich das Leben nimmt, ihre Freunde nach dem Suizid aber weiterhin via einer Art von Internet namens “The Wired” kontaktiert. Eine Schulkameradin bringt sie schliesslich dazu, einen immens leistungsstarken Computer zu bauen, der sie geradewegs zu einer kybernetischen Gottheit werden lässt.
Dass «Transcendence» auf einem sehr ähnlichen Konzept wie «Serial Experiments Lain» basiert, ist offenkundig. Ein entsprechendes Statement von Regisseur Wally Pfister oder anderen an der Entstehung von «Transcendence» Beteiligten, welche «Serial Experiments Lain» als direkte Inspirationsquelle bestätigen würde, existiert jedoch nicht.
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